Entscheidungsstichwort (Thema)
unlauterer Wettbewerb
Leitsatz (amtlich)
1. Das grundsätzlich zulässige Abwerben (Ausspannen) von Beschäftigten eines anderen Unternehmens ist nur bei Hinzutreten von besonderen Umständen sittenwidrig. Solche Umstände sind etwa das Verleiten zum Vertragsbruch, das Abwerben unter Eindringen in die fremde Betriebssphäre des Konkurrenten und insbesondere nachhaltige und wiederholte Abwerbungsversuche über einen geschäftlichen Telefonapparat.
2. Eine erhebliche Störung der Integrität des betrieblichen Organismus oder der Funktionsfähigkeit des Unternehmens, die unter Umständen die persönlicher Kontaktaufnahme am Arbeitsplatz zu einem wettbewerbsrechtlich zu missbilligenden Vorgang macht, kann nicht schon darin liegen, dass der angesprochene Arbeitnehmer während einer gewissen Zeit von der Erfüllung seiner dienstvertraglichen Verpflichtungen abgehalten wird.
3. Bei der Übertragung der zur Telefonwerbung entwickelten Grundsätze auf die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von telefonischen Abwerbeversuchen sind neben den Interessen des Arbeitgebers auch die Belange des Arbeitnehmers in die Interessenbewertung einzustellen, da ein grundsätzliches Interesse der für Leitungsfunktionen qualifizierten Arbeitnehmern an beruflicher Verbesserung und damit ein mutmaßliches Einverständnis nahe liegt.
Revision I ZR 221/01
Verfahrensgang
LG Mannheim (Aktenzeichen 24 O 2/00) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 19. Juni 2000 – 24 O 2/00 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsrechtszuges fallen der Klägerin zur Last.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 18.000 abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Bankbürgschaft wird als Sicherheit jeweils zugelassen.
4. Die Beschwer der Klägerin übersteigt DM 60.000.
Tatbestand
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist das Verbot, Arbeitnehmer zum Zwecke der Abwerbung an ihrem Arbeitsplatz anzurufen.
Die Klägerin, Tochtergesellschaft eines europaweit tätigen Konzernunternehmens der EDV-Branche, beschäftigt hochqualifizierte Spezialisten, die sie durch interne Schulungsmaßnahmen stets auf dem neuesten Entwicklungsstand hält. Der Beklagte ist ein auf Personalberatung spezialisierter selbständiger Unternehmer, der sich im Rahmen gezielter Personalakquisition mit der Vermittlung von Führungs- und Fachkräften beschäftigt (headhunting). Wegen der großen Nachfrage nach EDV-Spezialisten sieht sich die Branche in erheblichem Umfang telefonischen Abwerbungsversuchen sogenannter Headhunter ausgesetzt.
Im Sommer 1999 erhielt der Beklagte von einem Personalberatungsunternehmen den Auftrag, für ein ausländisches Software-Unternehmen hochqualifiziertes Personal zu suchen. Der Beklagte nahm zu diesem Zweck mit einer Mitarbeiterin der Klägerin, Frau M., die als Projektleiterin im Hause der Klägerin tätig ist, an deren Arbeitsplatz Telefonkontakt auf. Über den Gesprächsinhalt machen die Parteien unterschiedliche Angaben. Die Klägerin trägt vor, der Beklagte habe ihrer Mitarbeiterin die Stelle eines Projektleiters bei einem amerikanischen Software-Unternehmen angeboten.
Die Klägerin erblickt in der bloßen telefonischen Kontaktaufnahme des Beklagten am Arbeitsplatz zum Zwecke der Abwerbung von Mitarbeitern eine wettbewerbswidrige Handlung, die den Störer auf Unterlassung und auf Schadensersatz haften lasse.
Die Klägerin hat beantragt,
- den Beklagten unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, Mitarbeiter der Klägerin an ihrem Arbeitsplatz zum Zwecke der Abwerbung anzurufen und/oder anrufen zu lassen;
- den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über diejenigen Telefongespräche, welche der Beklagte in der Vergangenheit mit den Mitarbeitern der Klägerin an deren Arbeitsplatz – zu Zwecken der Abwerbung der Mitarbeiter – geführt hat oder hat führen lassen, zu erteilen unter Angabe von Name, Anschrift des Anrufenden, Name des angerufenen Mitarbeiters, Zeitpunkt, Dauer und Inhalt des Telefonats, Name und Anschrift des Unternehmens, zu dessen Gunsten abgeworben werden sollte sowie weiter nach dem ersten Anruf erfolgte Telefonate;
- es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, denjenigen Schaden zu ersetzen, welcher der Klägerin aus den Handlungen gemäß Klagantrag Ziff. 1 und 2 entstanden ist und noch entstehen wird.
Der Beklagte hat Klageabweisung erstrebt mit der Begründung, er habe Frau M. nicht abwerben, vielmehr von ihr Hinweise über geeignete Personen für den zu vergebenden Posten eines Geschäftsführers erhalten wollen (sog. sourcing).
Das Landgericht hat den Vortrag der Klägerin unterstellt und die Klage abgewiesen. Das zielgerichtete Abwerben von Mitarbeitern eines Konkurrenten sei grundsätzlich erlaubt und im Streitfall mangels unlauterer Mittel oder verwerflicher Zweckverfolgung auch nicht verboten. Die von der Klägerin angeführten Umstände...