Leitsatz (amtlich)
1. Die Doppelvertretung der AG durch Vorstand und Aufsichtsrat gem. § 246 Abs. 2 AktG gilt auch in Fällen, in denen (möglicherweise) ein Interessenkonflikt zwischen den Organen im Einzelfall nicht besteht.
2. Eine Heilung gem. § 189 ZPO kommt nur für Zustellungsmängel in Betracht, die der Zustellung an den vorgesehenen Zustellungsadressaten anhaften, kann aber nicht die Zustellung an einen Dritten (hier den nicht in der Klage als Vertreter aufgeführten Vorstand) ersetzen. Eine Heilung setzt die körperliche Übergabe des Schriftstücks voraus, bloße Kenntnisnahme reicht nicht.
3. Eine rügelose Einlassung gem. § 295 ZPO führt nicht zur Heilung der Zustellungsmängel und Wahrung der materiellen Klagfrist des § 246 AktG, da die Frist nicht disponibel und daher vom Gericht deren Wahrung von Amts wegen zu beachten ist.
Normenkette
AktG § 246; ZPO §§ 167, 170, 189
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 14.05.2007; Aktenzeichen 24 O 163/06) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Mannheim - Kammer für Handelssachen - vom 14.5.2007 - 24 O 163/06 - wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Das LG hat die Anfechtungsklage des Klägers abgewiesen, mit der er drei Beschlüsse, die auf der Hauptversammlung der beklagten Aktiengesellschaft am 3.7.2006 gefasst wurden, angefochten hat, weil die Klagefrist des § 246 Abs. 1 AktG nicht eingehalten worden sei. Wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrags im ersten Rechtszug sein Klagbegehren in vollem Umfang weiter und vertritt insbesondere die Auffassung, die verspätete Zustellung der Klageschrift an Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten sei jedenfalls durch eine rügelose Einlassung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 14.5.2007 geheilt. Darüber hinaus liege aber bereits eine fehlerhafte Zustellung der Klage nicht vor, da ausnahmsweise eine Doppelvertretung, wie sie § 246 Abs. 2 AktG grundsätzlich für die Anfechtungsklage des Aktionärs vorsehe, nicht geboten sei. Darüber hinaus handele die Beklagte rechtsmissbräuchlich, wenn sie sich auf die verspätete Zustellung berufe. Schließlich sei die Heilung von Zustellungsmängeln jedenfalls nach § 189 ZPO eingetreten. Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil.
Wegen des Weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II. Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die angegriffene Entscheidung beruht weder auf einem Rechtsfehler (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die gem. § 529 ZPO zugrunde zu legenden Feststellungen eine anderweitige Entscheidung, § 513 ZPO.
Das LG hat zu Recht die Klage als unbegründet abgewiesen, weil die Klagefrist des § 246 Abs. 1 AktG nicht eingehalten ist, die eine materielle Ausschlussfrist darstellt (vgl. nur Hüffer, 7. Aufl. 2006, § 246 AktG Rz. 20 m.w.N.).
1. Der Kläger hat die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG mit seiner beim LG Karlsruhe am 3.8.2006 eingegangenen Anfechtungsklage nach §§ 245 Nr. 1, 243 Abs. 1, 246 Abs. 1 AktG nicht gewahrt.
a) Das LG hat richtig festgestellt, dass die Anfechtungsklage nicht auf § 245 Nr. 4 oder 5 AktG gestützt werden konnte, sondern der Kläger nur als Aktionär gem. § 245 Nr. 1 AktG anfechtungsbefugt war.
Der Kläger war mit Beschluss des Aufsichtsrats vom 11.4.2006 als Vorstand abberufen worden, § 84 Abs. 3 S. 1 AktG. Diese Abberufung ist wirksam, so lange sie nicht rechtskräftig für unwirksam erklärt wird, § 84 Abs. 3 S. 4 AktG. Gegen diese zutreffende Beurteilung des LG wendet sich der Kläger nicht. Es kann dahinstehen, ob eine rechtskräftige Feststellung der Unwirksamkeit im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes möglich wäre, um zu verhindern, dass dem Vorstand kurz vor der Hauptversammlung sein Anfechtungsrecht als Vorstand genommen wird. Denn der Kläger hat keinen einstweiligen Rechtsschutz gegen die Abberufung beantragt. Auch eine anderweitige Entscheidung ist vor der Hauptversammlung am 3.7.2006, auf der die angefochtenen Beschlüsse gefasst wurden, nicht ergangen.
b) Dementsprechend stand dem Kläger, der Aktionär der Beklagten ist, nur das Anfechtungsrecht gem. § 245 Nr. 1 AktG zur Verfügung. Will ein Aktionär den Beschluss der Hauptversammlung anfechten, so hat er die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats beim zuständigen LG zu erheben. Die Klage ist gegen die Gesellschaft zu richten, die durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten wird, § 246 Abs. 2 S. 1 und 2 AktG. Durch die Doppelvertretung soll verhindert wer...