Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Zustellung an den nach § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG zur Vertretung der Aktiengesellschaft zuständigen Vorstand und Aufsichtsrat tritt Heilung eines Zustellungsmangels gemäß § 189 ZPO ein, wenn Vorstand und Aufsichtsrat einen Prozessbevollmächtigten gemeinsam beauftragt haben und diesem ein Exemplar des zuzustellenden Schriftstücks tatsächlich zugegangen ist.
2. Eine Verkürzung der Frist zur Anmeldung zur Hauptversammlung durch Satzungsregelung nach § 123 Abs. 2 Satz 3 AktG kann nur durch die Satzung angeordnet werden. Eine Ermächtigung des einberufenden Organs zur Verkürzung der Anmeldefrist in der Satzung genügt nicht.
Normenkette
ZPO § 189; AktG § 123 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 30.08.2007; Aktenzeichen 5 HKO 2797/07) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG München I vom 30.8.2007, Az.: 5 HKO 2797/07, wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von 2 Beschlüssen der Hauptversammlung der Beklagten vom 23.1.2007. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils vom 30.8.2007 Bezug genommen. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
1. Der Kläger zu 1) hat am 14.2.2007 beim LG München I die Anfechtungsklage eingereicht unter Angabe der im Rubrum angegebenen Namen und Adressen der Aufsichtsräte der Beklagten und unter Beifügung eines Schecks über 1.378 EUR zur Bezahlung des Gerichtskostenvorschusses, bezogen auf einen von dem Kläger zu 1) angegebenen Streitwert von 50.000 EUR. Nachdem der Beschluss des LG vom 15.2.2007, mit dem der Streitwert für das Verfahren gem. § 63 Abs. 1 GKG vorläufig auf 100.000 EUR festgesetzt worden ist, am 16.2.2007 mit einfachem Brief zur Post gegeben wurde, ist bei der Landesjustizkasse Bamberg am 28.2.2007 für den Kläger zu 1) der Eingang von weiteren 1.200 EUR verbucht worden.
Das LG hat die Verfahren der am 23.2.2007 eingegangenen Anfechtungsklagen der Klägerinnen zu 2) und 3) und des Klägers zu 4) sowie die am 22.2.2007 eingegangene Klage des Klägers zu 5) jeweils mit Beschlüssen vom 22.3.2007 zu dem Verfahren 5 HKO 2297/07 hinzuverbunden. Auf die gerichtlichen Anforderungen auf Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses von jeweils insgesamt 4.368 EUR haben die Kläger zu 2) bis 5) die angeforderten Beträge innerhalb von 14 Tagen bezahlt. Das LG hat mit Verfügung vom 22.3.2007 die Zustellung der Klagen an den Vorstand der Beklagten sowie an das Aufsichtratsmitglied Helmut Pende unter Hinweis auf dessen im Rubrum der Klage aufgeführte Privatadresse verfügt. Die Zustellung an Helmut Pende wurde jedoch an die Adresse der Beklagten MWG AG, Anzinger Straße 7a, 85560 Ebersberg gerichtet. Beide Klageschriften sind am 28.3.2007 der Chefsekretärin der Beklagten, Yasmin Preuss, ausgehändigt worden. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten sind von Vorstand und Aufsichtsrat zur Prozessvertretung in diesem Anfechtungsverfahren bevollmächtigt worden, an die zumindest die dem Vorstand zugestellten Klagen zur Ausarbeitung der Klageerwiderung übermittelt worden sind und die diese auch im April 2007 zur Kenntnis genommen haben.
2. Am 19.12.2006 veröffentlichte die Beklagte im elektronischen Bundesanzeiger die Einladung zu ihrer Hauptversammlung vom 23.1.2007. Darin war angegeben, dass zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung diejenigen Aktionäre berechtigt sind, die ihre Berechtigung durch einen durch das Depot führende Institut in Textform erstellten besonderen Nachweis des Anteilbesitzes nachgewiesen haben. Der Nachweis des Anteilsbesitzes musste sich auf den 2.1.2007, 00.00 Uhr, beziehen und der Gesellschaft zur Anmeldung für die Hauptversammlung bis spätestens 19.1.2007, 24.00 Uhr, zugehen.
In § 15 der Satzung der Beklagten (Anlage K 1 im hinzuverbundenen Verfahren 5 HKO 3481/07) ist unter Ziff. 1. geregelt:
"Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind diejenigen Aktionäre berechtigt, die sich vor der Hauptversammlung in Textform (§ 126b BGB) in deutscher oder englischer Sprache angemeldet haben. Die Anmeldung muss der Gesellschaft unter der in der Einberufung hierfür mitgeteilten Adresse bis spätestens am 7. Tage vor der Hauptversammlung zugehen. In der Einberufung kann eine kürzere Anmeldefrist bestimmt werden. ...".
3. In der Hauptversammlung vom 23.1.2007 haben die Aktionäre Neumann (Anl. 1 zur Anl. B 1 Fragestellung nach Frage 13), Böhm (Anl. 2 zur Anl. B 1 Frage 42) und Zapf (Anl. 3 zur Anl. B 1, Bl. 7) nach den Plandaten für die MWG Synthesis GmbH und die Eurofins MWG GmbH gefragt, worauf der Vorstand laut Protokoll der Ha...