Entscheidungsstichwort (Thema)
Recht am eigenen Bild; Reichweite einer stillschweigend erteilten Einwilligung in Fernsehaufnahmen
Leitsatz (amtlich)
1. Wer erkennt, dass er von einem Kamerateam des Fernsehens gefilmt wird und dabei ohne Unwillen zu zeigen an ihn gerichtete Fragen beantwortet, willigt damit grundsätzlich auch in eine spätere Ausstrahlung der ihn zeigenden Fernsehaufzeichnung ein.
2. Die stillschweigend erteilte Einwilligung des Betroffenen in die Ausstrahlung von ihm gefertigter Fernsehaufnahmen kann nur für die Verbreitung in einem Rahmen angenommen werden, der nicht in einem Missverhältnis zu der Bedeutung steht, die der Betroffene selbst in erkennbarer Weise der den Gegenstand der Fernsehaufnahme bildenden Thematik beilegt.
3. Werden Fernsehaufnahmen in einem Rahmen gesendet, der der Thematik nach der erkennbaren Einschätzung des Betroffenen nicht angemessen ist, so ist ihre Veröffentlichung von einer grundsätzlich erteilten Einwilligung nur dann gedeckt, wenn der Betroffene zuvor über die Einzelheiten der geplanten Verbreitung - insb. über das Niveau der Sendung und den Zusammenhang, in den der Beitrag gestellt werden sollte - unterrichtet worden war.
Normenkette
GG Art. 1-2; BGB § 823 Abs. 1; KUG § 22 S. 1
Verfahrensgang
LG Waldshut-Tiengen (Urteil vom 21.12.2004; Aktenzeichen 2 O 210/04) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin Nr. 2 gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Waldshut-Tiengen vom 21.12.2004 - 2 O 210/04 - wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. In Bezug auf die Klägerin Nr. 1 wird auf deren Berufung das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Waldshut-Tiengen vom 21.12.2004 - 2 O 210/04 - unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung als unbegründet abgeändert:
a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Nr. 1 einen Betrag von 2.500 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.9.2003 zu bezahlen.
b) Die weiter gehende Klage der Klägerin Nr. 1 wird abgewiesen.
3. Für die Kosten erster Instanz gilt:
Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin Nr. 1: 37,5 %, die Klägerin Nr. 2: 20,8 % und die Beklagte 41,7 %.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin Nr. 1 tragen diese selbst 64,3 % und die Beklagte 35,7 %.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin Nr. 2 tragen diese selbst und die Beklagte jeweils 50 %.
Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen diese selbst 41,7 %, die Klägerin Nr. 1: 37,5 % und die Klägerin Nr. 2: 20,8 %.
Für die Kosten zweiter Instanz gilt:
Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin Nr. 1: 47,4 %, die Klägerin Nr. 2: 26,3 % und die Beklagte 26,3 %.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin Nr. 1 tragen diese selbst 64,3 % und die Beklagte 35,7 %.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin Nr. 2 trägt diese selbst.
Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen diese selbst 26,3 %, die Klägerin Nr. 1: 47,4 % und die Klägerin Nr. 2: 26,3 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
6. Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 9.500 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Am 25.7.2003 hatte sich die damals knapp 5 Jahre alte Klägerin Nr. 2, die dort zusammen mit ihren Eltern die Ferien verbrachte, auf dem weitläufigen Gelände des bei C./Italien gelegenen "Parco delle Vacanze" - des angeblich größten Campingplatzes Europas - verlaufen. Ein zufällig anwesendes Kamerateam der Beklagten, eines privaten deutschen Fernsehsenders, filmte, wie das Kind zur Rezeption der Anlage gebracht, dort befragt und sodann wieder zum elterlichen Zelt gebracht wurde; sodann wurde noch ein kurzes Interview mit der Klägerin Nr. 1 - der Mutter des Kindes - aufgenommen. Die Bilder wurden am 13. und am 14.8.2003 jeweils zur Mittagszeit im Rahmen des Magazins "S." der Beklagten ausgestrahlt. Die Klägerinnen behaupten, sie seien ohne ihre Einwilligung gefilmt worden, die Ausstrahlung sei gegen den durch den Ehemann bzw. Vater der Klägerinnen für die gesamte Familie deutlich zum Ausdruck gebrachten Willen erfolgt. Auch die Klägerin Nr. 1 selbst habe ggü. dem Interviewführer geäußert, sie wolle nicht, dass die Aufnahmen gesendet würden.
Mit der Begründung, sie seien durch die Aufnahmen und deren Verbreitung aufs Schwerste in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt worden, haben die Klägerinnen die Beklagte auf Zahlung einer Geldentschädigung - 7.000 EUR für die Klägerin Nr. 1 und 5.000 EUR für die Klägerin Nr. 2 - in Anspruch genommen.
Wegen der von den Klägerinnen verfolgten Ansprüche und des zugrundeliegenden Sachverhalts im Einzelnen, wegen des Vorbringens der Parteien sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Nach Anhörung der Klägerin Nr. 1 und Vernehmung der Zeugen R.W., A.G., M.S. und F.E. hat das LG Waldshut-Tiengen mit Urteil vom 21.12.2004 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Nr. 2 einen Betrag von 2.500 EUR zu bezahlen. Die weiter gehende Klage der Klägerin Nr. 2 und die Klage der Klägerin Nr. 1 hat das LG abg...