Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährungsbeginn bei Schmerzensgeldansprüchen für unfallbedingte Spätfolgen bei Abschluss eines Abfindungsvergleichs. Weiteres Schmerzensgeld für die Verursachung eines Verkehrsunfalls ohne Mitverschulden der Geschädigten
Leitsatz (redaktionell)
1. a) Ein in einem Abfindungsvergleich enthaltene Passus, wonach unfallbedingte Spätfolgen, die in den nächsten 20 Jahren auftreten, von dem Verzicht auf weitere Ansprüche ausgenommen sind, besitzt keine verjährungsrechtliche Seite des Inhalts, dass in diesem Zeitraum von 20 Jahren die Verjährung in Bezug auf neu aufgetretene und von dem Geschädigten als ursächlich auf den Verkehrsunfall zurückgehend erkannte Schäden nicht laufen sollte.
b) Ein - weiterer - Schmerzensgeldanspruch ist gleichwohl nicht verjährt, wenn der Schädiger nicht beweisen kann, dass der Geschädigte vom Ursachenzusammenhang innerhalb eines Zeitraums Kenntnis erlangt hatte, nach dessen Ablauf der Anspruch verjährt wäre.
2. 15000 EUR - weiteres - Schmerzensgeld für einen Mann, der 1981 bei einem Verkehrsunfall ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt und bei dem es in Folge dessen heute noch zu epileptischen Anfällen kommt.
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 30.10.2006; Aktenzeichen 1 O 218/06) |
Tenor
1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 30.10.2006 (1 O 218/06) wird zurückgewiesen.
2) Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4) Die Revision wird nicht zugelassen.
5) Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt Euro 15.000,--.
Gründe
I.
Der Klägerin nimmt mit der vorliegenden Klage die beklagte Versicherung auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Anspruch. Dass die Beklagte dem Kläger für sämtliche materiellen und immateriellen Schäden in vollem Umfang einzustehen hat, die dieser bei einem durch einen Versicherungsnehmer der Beklagten schuldhaft verursachten Verkehrsunfall vom 28.08.1981 erlitten hat, ist unstreitig. Der Kläger zog sich beim vorgenannten Unfallereignis schwere Körperverletzungen zu (u. a. contusio cerebri; Schädel-Hirn-Trauma, Calottenfraktur, Contusionsblutung). Nachdem die Beschwerden weitestgehend nachgelassen hatten (s. die Stellungnahme des Dr. J. G. v. 04.02.1983 - B 1), schloss der damals schon anwaltlich vertretene Kläger mit der Beklagten einen Abfindungsvergleich über eine Zahlung von DM 8.000,--(K 2). Für den eingetretenen Fall der rechtzeitigen Zahlung dieses Betrages
"verzichtete " der Kläger "vorbehaltlos auf alle weiteren Ansprüche jeglicher Art - auch für unerwartete und unvorhergesehene Folgen ".
In der Vergleichsurkunde heißt es abschließend:
" ausgeschlossen bleiben materielle und immaterielle Zukunftsschäden für den Fall, dass bis zum 31.12.2003 unfallbedingte Spätfolgen auftreten ".
Hintergrund dieser Einschränkung des Verzichts war, dass der Neurologe Dr. G. in seiner oben angeführten "Bescheinigung" v. 04.02.1983 mitteilte, dass
" bis auf die bekannte Spätfolge eines cerebralen Anfallsleidens, das bis 20 Jahre nach Schädel-Hirn-Traumen auftreten kann, mit weiteren Komplikationen nicht zu rechnen ist ."
Ab dem Jahre 1997 leidet der Kläger unter epileptischen Anfällen, die - unstreitig - als Spätfolge der Unfallverletzungen zu beurteilen sind. Im Jahre 1997 wurde der Kläger deshalb auch in die Universitätsklinik F. eingeliefert und parallel dazu begab er sich (so seine eigenen Bekundungen) in die Behandlung des Facharztes für Neurologie Dr. J. G., F.
Einen besonders gravierenden Anfall (mit Zungenbiss) erlitt der Kläger am 12.02.2002 (s. die Arztberichte v. 15.02.2002 und 26.02.2002 (K 5). Die veranlasste Kernspintomographie offenbarte gemäß einer ärztlichen Stellungnahme des Dr. R. S. v. 21.03.2002 (K 3), dass
" ein Zusammenhang mit dem Schädel-Hirn-Trauma 1981 und den im Kernspinntomogramm beschriebenen ausgeprägten Kontusionsherden sehr wahrscheinlich ist ".
Erstmals im Januar 2004 setzte sich der Kläger mit der Beklagten in Verbindung mit dem Hinweis auf eingetretene Spätfolgen und der Forderung von weiterem Schadensersatz.
Die Beklagte erhebt - nachdem sie zunächst auf Grund der Schadensmeldung aus Januar 2004 intensive bis April 2006 dauernde Ermittlungen angestellt hatte - die Einrede der Verjährung.
Wegen der Einzelheiten des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalts, des Vortrags der Parteien in erster Instanz und der gestellten Anträge wird auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von Euro 15.000,-- verurteilt. Das Gericht hat zur Begründung u. a. ausgeführt, der Berufung auf die Einrede stehe der ausdrücklich vereinbarte Vorbehalt im Vergleich v. 19.01.1984 entgegen. Der Kläger könne unfallbedingte Folgen bis zum 31.12.2003 geltend machen (damit ist wohl gemeint: Erst ab diesem Zeitpunkt habe eine Verjährungsfrist zu laufen begonnen). Auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des Landgerichts wird Bezug genommen.
Gegen d...