Entscheidungsstichwort (Thema)
Wandlung
Leitsatz (amtlich)
Ordnungsgemäß reparierte Bagatellvorschäden wie Kratzer, Schrammen, kleine Beulen und dergleichen stellen zumindest bei einem sechs Jahre alten Fahrzeug nach der Verkehrsanschauung – auf die es entscheidend ankommt – keine „Unfallschäden” dar und sind daher bei der Frage nach Unfallvorschäden des Fahrzeugs auch nicht zu offenbaren. Dies gilt auch, wenn die Reparatur dieser Vorschäden Kosten von über DM 1.000,00 verursacht hatte.
Orientierungssatz
Zum Umfang der Pflicht zur Offenbarung von Fahrzeugvorschäden
Normenkette
BGB §§ 123, 459, 463
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Aktenzeichen 4 O 17/00) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 16. Mai 2000 – 4 O 17/00 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Beschwer des Klägers beträgt 12.150,00 DM.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger kann Rückabwicklung des streitgegenständlichen Fahrzeugkaufvertrags weder aufgrund einer Anfechtung des Kaufvertrages nach §§ 123, 812 BGB, noch als Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 463 BGB verlangen. Die vom Kläger erklärte Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung ist nicht wirksam, da von einem arglistigen Verschweigen einer Unfalleigenschaft des Fahrzeugs nicht ausgegangen werden kann. Dem Fahrzeug fehlte auch nicht die zugesicherte Eigenschaft „Unfallfreiheit laut Vorbesitzer”. Im einzelnen:
Es ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) An der linken vorderen Türe hatte das Fahrzeug eine kleine,fingernagelgroße Delle erlitten, als die Türe eines neben dem streitgegenständlichen Fahrzeug geparkten Fahrzeugs unvorsichtig geöffnet worden war. Diese Beschädigung war im Auftrag des Vorbesitzers von einer Fachfirma durch partielle Nachlackierung (ohne Spachtelung) ordnungsgemäß repariert worden.
bb) An der rechten hinteren Seitenwand hat das Fahrzeug im Bereich des Tankdeckels einen Kratzer erlitten, da es beim Herausfahren aus einer Garage leicht an die Garagenwand gestreift war. Dieser Schaden wurde vom Vorbesitzer durch partielle Nachlackierung in Eigenarbeit ordnungsgemäß repariert.
cc) An der rechten Seite hatte das Fahrzeug des weiteren einen Kratzerschaden erlitten, der im Auftrag des Vorbesitzers von einer Fachfirma durch geringfügige Spachtelung und abschnittsweise Nachlackierung ordnungsgemäß repariert worden war (Reparaturkosten 1.103,25 DM). Von den genannten Vorschäden war dieser Schaden unstreitig der gravierendste (Klägervortrag AS II, 23). Er war zwischen dem Vertragsschluss der Beklagten mit dem Vorbesitzer und dessen Fahrzeugübergabe geschehen und wurde als einziger der Vorschäden der Beklagten vom Vorbesitzer bzw. dessen Ehefrau dahingehend mitgeteilt, dass das Fahrzeug mal einen Kratzer an der rechten Seitenwand gehabt habe, der aber repariert und lackiert worden sei.
Zwar sind sämtlich Nachlackierungen aufgrund der Farbunterschiede nach den Ausführungen des Sachverständigen K. für einen Fachmann bereits bei oberflächlicher Untersuchung zu erkennen. Es handelt sich aber sämtlich um – ordnungsgemäß reparierte – Bagatellschäden, und zwar – wie der Sachverständige K. feststellte – in Form von „Lackschäden, Kratzer, leichten Dellen etc.”. Typischerweise erklärte der hinsichtlich der Vorschäden – auch ausweislich der Feststellungen des Sachverständigen K. – ausgesprochen auskunftsbereite Vorbesitzer (der Zeuge G.), dass er die Frage nach Vorunfällen „sicherlich verneint hätte” (AS I, 49), die von ihm im einzelnen beschriebenen Vorbeschädigungen seien so geringfügig gewesen, dass sie mit Unfällen seines Erachtens nichts gemeinsam hätten (I, 49).
Die genannte Bagatellvorschäden stellen nach der Verkehranschauung, auf die es insoweit entscheiden ankommt (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 7. Aufl., Rn. 1588), bei einem zum Zeitpunkt des Kaufs sechs Jahre alten Fahrzeug (Kilometerstand 63.000) keinen „Unfallschaden” dar, so dass die Aussage/Zusicherung, das Fahrzeug sei nach Kenntnis des Verkäufers „unfallfrei lauf Vorbesitzer” den Tatsachen entsprach. Dass die Reparatur des gravierendsten der Vorschäden 1.103,30 DM kostete, ändert hieran nichts. Es ist amtsbekannt, dass die ordnungsgemäße Reparatur auch kleinster (banaler) Kratzer relativ hohe – ergänze: in Anbetracht des Schadens unverhältnismäßige – Kosten verursacht, da eben unabhängig von der Geringfügigkeit des Kratzers bei einer ordnungsgemäßen Reparatur eine abschnittsweise Neulackierung erforderlich ist. Dass ein solcher Bagatellschadenin unrepariertem Zustand wegen dieser relativ hohen Reparaturkosten einen wesentlichen Mangel darstellt, bedeutet entgegen der Auffassung des Klägers nicht, dass dieser ...