Leitsatz (amtlich)
›1. Im selbständigen Beweisverfahren trifft den Antragsgegner zwar keine prozeßuale Verpflichtung, an der Beweiserhebung mitzuwirken. Soll durch das Beweisverfahren aber geklärt werden, ob aufgrund auf dem Grundstück des Antragsgegners vorgenommener Abgrabungen die Gefahr besteht, daß das Grundstück des Antragstellers abrutscht, so kann sich ein gegen den Antragsteller gerichteter Anspruch des Antragsteller, dem Sachverständigen im Rahmen des selbständigen Besweisverfahrens zur Durchführung der erforderlichen Untersuchungen das Betreten des Grundstücks zu ermöglichen, aus § 809 BGB ergeben.
2. Der Besichtigungsanspruch nach § 809 BGB unterliegt als solcher zwar nicht der Verjährung. Indessen kann mit der Verjährung des Hauptanspruchs, dessen Durchsetzung der Besichtigungsanspruch dienen soll, das Informationsbedürfnis und damit das schutzwürdige Interesse an der Besichtigung entfallen.
3. In der Zustellung der Urteilsverfügung von Amts wegen liegt keine Vollziehung der einstweiligen Verfügung, sie ist lediglich Voraussetzung für die Vollziehung.
4. Wurde gegen den Antragsgegner eines selbständigen Beweisverfahrens eine einstweilige Verfügung erwirkt, wonach er bestimmte der Beweiserhebung dienende Maßnahmen zu dulden hat, so liegt in der an das Gericht, bei dem das Beweisverfahren anhängig ist, gerichteten und in Doppel an den Antragsgegner / Verfügungsbeklagten gegangenen Aufforderung, dem Beweisverfahren in Hinblick auf die ergangene einstweilige Verfügung Fortgang zu geben, ein Vollziehen der einstweiligen Verfügung im Sinne von § 929 Abs. 2 ZPO.‹
Verfahrensgang
LG Offenburg (Aktenzeichen 2 O 308/00) |
Tatbestand
1. Zwischen dem Grundstück der Verfügungskläger und dem darunter gelegenen benachbarten Grundstück der Verfügungsbeklagten liegt ein Steilhang, der im Anschluß an seitens der Beklagten im Januar 1995 vorgenommene ungesicherte Abgrabungen ins Rutschen geriet. Die Beklagte hat zwar in Eigenarbeit Hangsicherungsmaßnahmen vorgenommen, die Kläger bezweifeln aber, ob dies fachmännisch und einwandfrei geschehen ist. Zwischen den Parteien wurde über Jahre hinweg in dieser Sache korrespondiert.
2. Auf Antrag der Kläger vom 03.12.1999 hat das Landgericht im selbständigen Beweisverfahren 2 OH 55/99 mit Beschluß vom 11.01.2000 (dort As. 21/25) Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Rutschsicherheit des Hanges und dazu, welche Maßnahmen zur Beseitigung einer etwaigen Gefahr erforderlich sind, angeordnet. Nach einer Ortsbesichtigung hat der vom Landgericht beauftragte Gutachter Dr. W. mit Schreiben vom 21.03.2000 (As. 67/71) dem Gericht mitgeteilt, es sei nicht unwahrscheinlich, daß die bisherigen Sicherungsmaßnahmen unzureichend seien, zur endgültigen Überprüfung seien aber Erkundungsbohrungen erforderlich. Mit Schreiben vom 12.07.2000 (As. 107) hat der Gutachter mitgeteilt, in Absprache mit den Anwälten der Beteiligten solle ein weiterer Ortstermin, bei dem auch mit den Bohrungen begonnen werden solle, am 25.07.2000, 09.00 Uhr, stattfinden. Diesen Termin hat der Sachverständige mit Fax vom 24.07.2000, 17.56 Uhr, (As. 133) abgesagt, nachdem kurz zuvor der Anwalt der Beklagten mitgeteilt hatte, diese verweigere das Betreten ihres Grundstücks, solange nicht sichergestellt und ihr bestätigt worden sei, daß durch die Bohrung keine Hangrutschung ausgelöst werden könne.
3. Auf Antrag der Verfügungskläger vom 07.08.2000 (I 1/7) hat das Landgericht durch - das mit der Berufung angefochtene - Urteil vom 15.09.2000 der Verfügungsbeklagten aufgegeben, in dem selbständigen Beweisverfahren zum Zwecke der Durchführung der gerichtlichen Beweissicherung dem Sachverständigen und seinen Hilfspersonen sowie den Klägern und ihrem Anwalt das Betreten ihres Grundstücks zu gestatten; für jeden Fall der Zuwiderhandlung wurde Ordnungsgeld oder Ordnungshaft angedroht. Das Urteil ist dem Prozeßvertreter der Beklagten am 21.09.2000 von Amts wegen zugestellt worden (I 91). Eine Parteizustellung ist nicht erfolgt. Jedoch hat der Anwalt der Kläger im Verfahren 2 OH 55/99 mit Schriftsatz vom 21.09.2000 (dort As. 151) unter Hinweis auf die Urteilsverfügung des Landgerichts vom 15.09.2000 gebeten, die Beweiserhebung fortzusetzen und den Sachverständigen zur Erstellung des Gutachtens aufzufordern. Daraufhin hat das Landgericht unter dem 26.09.2000 mitgeteilt, bevor weitere Maßnahmen getroffen würden, solle der Ablauf der Berufungsfrist im Verfügungsverfahren abgewartet werden (dort As. 152 = II 193).
4. Die Verfügungsbeklagte vertritt die Auffassung, das Landgericht habe die einstweilige Verfügung zu Unrecht erlassen. Jedenfalls aber sei die einstweilige Verfügung deshalb aufzuheben, weil sie nicht rechtzeitig vollzogen worden sei. Sie beantragt,
das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 15.09.2000 dahin abzuändern, daß der Verfügungsantrag zurückgewiesen wird.
Die Verfügungskläger beantragen
Zurückweisung der Berufung.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schrifts...