Leitsatz (amtlich)
1. Der Jahreswert eines durch Teilungsversteigerung erloschenen Nießbrauchs richtet sich im Falle des § 92 Abs. 2 ZVG nach der Höhe des im konkreten Fall bei zum Ablauf des Rechts voraussichtlich zu erzielenden jährlichen Nettobetrags.
2. Ist der Nießbrauch an einem Wohngrundstück bestellt, kommt es für den Jahreswert entscheidend auf die tatsächlich erzielbare Nettomiete an.
3. Zu den Auswirkungen von Bewirtschaftungskosten auf den Jahreswert eines Nießbrauchs im Falle des § 92 Abs. 2 ZVG.
4. Schadensersatzansprüche können der Zuteilung des Deckungskapitals für einen erloschenen Nießbrauch nach § 121 Abs. 1 ZVG nicht entgegengehalten werden.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 03.09.2004; Aktenzeichen 9 O 231/04) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Schlussurteil des LG Mannheim vom 3.9.2004 - 9 O 231/04 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
a) Der Widerspruch der Klägerin gegen den Teilungsplan des AG Mannheim vom 5.5.2004 im Verteilungsverfahren 4 K 436/02 wird insoweit für begründet erklärt, als das Deckungskapital für den erloschenen Nießbrauch auf mehr als 11.795,12 EUR festgesetzt wurde.
b) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weiter gehende Berufung der Klägerin gegen das Schlussurteil des LG Mannheim vom 3.9.2004 - 9 O 231/04 - wird zurückgewiesen.
3. Nachdem die Klägerin ihre Berufung gegen das Urteil des LG Mannheim vom 3.3.2005 - 9 O 231/04 - zurückgenommen hat, wird sie des Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt.
4. Die Klägerin trägt die Kosten der ersten Instanz. Von den Kosten der Berufungsinstanz trägt die Klägerin 90 %, die Beklagte 10 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
6. Die Revision wird nicht zugelassen.
7. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird für die Zeit bis zum 20.6.2005 auf 88.417,61 EUR, für die Zeit danach auf 16.753,44 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Klägerin und Beklagte sind Stieftochter und Stiefmutter. Die Parteien waren hälftige Miteigentümer des Hausgrundstücks D. 5 in M. Der Miteigentumsanteil der Klägerin war aufgrund notariellen Übergabevertrags vom 8.4.1971 (Anlage B 2) mit einem lebenslänglichen Nießbrauch zugunsten der Beklagten belastet. Der notarielle Übergabevertrag sah u.a. folgendes vor: "Abweichend von § 1050 BGB wird vereinbart, dass die Nießbraucherin auch die Veränderung und Verschlechterung des belasteten Grundstücks zu vertreten hat. Sie ist berechtigt, hieran sämtliche Reparaturen und sonstige baulichen Änderungen vorzunehmen und die steuerliche Absetzung für Abnutzung geltend zu machen."
Das Grundstück war vermietet. Die Beklagte betrieb die Teilungsversteigerung. Am 26.2.2004 wurde der Zuschlag in der Zwangsversteigerung zu einem Bargebot i.H.v. 164.100 EUR verkündet. Das Nießbrauchsrecht ist durch die Zwangsversteigerung erloschen. Am 5.5.2004 beschloss das AG Mannheim als Vollstreckungsgericht einen vorläufigen Teilungsplan (Anlage B 1). Nach Abzug der Verfahrenskosten verblieb ein zu verteilender Erlös von 160.081,71 EUR. Das Vollstreckungsgericht setzte das Deckungskapital für den erloschenen Nießbrauch auf 16.753,44 EUR fest und teilte diesen Betrag der Beklagten zu. Die Klägerin erhob gegen diese Festsetzung und die Zuteilung Widerspruch. Der streitige Betrag blieb daraufhin unter Az. 1 HL 61/04 hinterlegt. Da sich die Klägerin und die Beklagte im Verteilungstermin auch nicht über die Verteilung des Übererlöses i.H.v. 143.328,27 EUR einigten, hinterlegte das Vollstreckungsgericht den Übererlös zugunsten von Klägerin und Beklagter unter Az. 1 HL 103/04 (Anlage B 5).
Die Klägerin verfolgt mit ihrer Klage ihren Widerspruch gegen die Zuteilung des Deckungskapitals für den Nießbrauch weiter. Die Beklagte hat widerklagend Zustimmung zur hälftigen Auskehr des Übererlöses, verlangt.
Die Klägerin hat behauptet, das Nießbrauchsrecht sei zu hoch bewertet. Es komme nicht auf die ortsübliche Vergleichsmiete, sondern auf die tatsächlich erzielten Mieteinnahmen an. Danach betrage das Deckungskapital nur 10.642,69 EUR. Hiervon sei ein Schadensersatzanspruch i.H.v. 7.500 EUR abzuziehen. Die Beklagte schulde aufgrund des notariellen Übergabevertrages auch die Instandhaltung des Grundstücks. Sie habe ihre Verpflichtung zur Reparatur und Instandhaltung schuldhaft verletzt, so dass zum Zeitpunkt der Zwangsversteigerung ein wertmindernder Renovierungsstau i.H.v. 15.000 EUR vorgelegen habe. Um diesen Betrag sei das Grundstück zu billig versteigert worden.
Das LG hat zunächst ein Versäumnis-Teil-Urteil über die Widerklage erlassen und die Klägerin dazu verurteilt, einer Auszahlung des beim AG Mannheim zu Az. 1 HL 61/04 hinterlegten Übererlöses von 143.328,27 EUR in Höhe des hälftigen Betrages von 71.664,17 EUR zzgl. angefallener Hinterlegungszinsen an die Beklagte zuzustimmen. Gegen dieses ihr am 19.8.2004 zugestellte Versäumnis-Teil-Urteil hat die Klägerin am 2.9.2004 Einspruch eingelegt.
Die Klägerin hat beantragt,
1. der Widerspruch der Klägerin gegen den Teilungsplan des AG Ma...