Leitsatz (amtlich)
1. Geländewagen werden hierzulande üblicherweise weitgehend auch im normalen Straßenverkehr eingesetzt, so dass der Geschwindigkeitsbereich über 140 km/h für den Fahrbetrieb von Bedeutung sein kann.
2. Eine Verzögerung der Beschleunigung von mindestens 10 Sekunden nach dem automatischen Gangwechsel vom 2. in den 3. Gang bei Geschwindigkeiten über 140 km/h entspricht nicht dem üblichen Standard eines Geländewagens vergleichbarer Art und Preisklasse und ist ein Sachmangel.
Normenkette
BGB § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 30.11.2006; Aktenzeichen 5 O 455/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Konstanz vom 30.11.2006 - Az. 5 O 455/05 - wie folgt abgeändert:
a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 29.199 EUR abzgl. eines Betrages, der sich wie folgt errechnet: 0,1134 EUR/km × Kilometer gemäß Tachostand im Zeitpunkt der Rückgabe", nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.11.2005 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pkw ..., Limousine, mit Fahrgestell-Nr. ... mit Ausnahme der eingebauten Standheizung, des Marderschrecks, des DATA-Becker GPS-System und der Laderaum-Matte.
b) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 877,77 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Von den Kosten beider Instanzen haben die Beklagte 9/10 und der Kläger 1/10 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des 1,2-fachen des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten, nachdem er vom Neuwagen-Kaufvertrag vom 28.2.2005 zurückgetreten ist, Rückzahlung des Gesamtkaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe und Rückübereignung des Pkw ..., Modell.
Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil des LG Bezug genommen.
Das LG hat, nachdem es durch Einholung eines Gutachtens und mündliche Erläuterung durch den Sachverständigen W. Beweis erhoben hatte, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch, weil ein Rücktrittsgrund nicht vorliege. Die unzureichende und verzögerte Beschleunigung des gekauften Fahrzeuges bei Geschwindigkeiten über 140 km/h, das starke Bocken und Vibrieren des Fahrzeuges beim automatischen Abregeln bei Erreichen der Höchstgeschwindigkeit von 174 km/h und die verzögerte Reaktion bei Änderungen der Einstellung am Tempomat würden keine Sachmängel darstellen. Die vorgenannten Funktionseinschränkungen stünden zwar nach der Beweisaufnahme fest. Es handle sich dabei aber um konzeptionell bedingte, fahrzeugspezifische Steuerungs- und Regelungsdefizite. Sie entsprächen damit dem anzulegenden Maßstab "Stand der Technik". Mängel in Form einer Linksdrift im normalen Fahrbetrieb und einer erhöhten Bremskraft links hätten sich in der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Die vom Sachverständigen festgestellte Fehlfunktion der Funkfernbedienung stelle zwar einen Sachmangel dar, es handle sich aber um einen unerheblichen Mangel, der gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB nicht zum Rücktritt berechtige, wegen dieses Mangels im Übrigen die notwendige Fristsetzung zur Nacherfüllung fehle.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren. Das LG habe den festgestellten Sachverhalt unter rechtlichen Gesichtspunkten unzutreffend beurteilt. Die Schlussfolgerung, die vorgefundenen konzeptionellen Defizite entsprächen dem "Stand der Technik", sei fehlerhaft. Sie beruhe auf einer unvollständigen und nicht nachvollziehbaren Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei zu erwarten, dass das streitgegenständliche Modell zumindest den Standard des Vorgängermodells erreicht habe. Dem Kläger sei beim Kauf auf mehrfaches Nachfragen gesagt worden, dass es bei dem Fahrzeug neben einem Facelifting nur positive Weiterentwicklungen gegeben habe. Zwischenzeitlich sei das Fahrzeug vom Markt genommen.
Der Kläger beantragt:
1. Das Urteil des LG Konstanz vom 30.11.2006 - Az. 5 O 455/05 - wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.074,84 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pkw ..., Limousine, mit Fahrgestell-Nr. mit Ausnahme der eingebauten Standheizung, des Marderschrecks, DATA-Becker GPS-System und Laderaum-Matte.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 877,77 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil, tritt dem neuen Vorbringen entgegen und macht geltend, die gerügten Defizite würden auch dem Stand der Technik eines Geländewagens dieser Preisklasse entsprechen, weil der Kläger nicht die neuesten technischen Errungenschaften erwarten könne. Das ...