Leitsatz (amtlich)
1. Auf eine aus §§ 6 Abs. 3 VVG, 20 Nr. 2 AGGF folgende Leistungsfreiheit kann sich der Versicherer nicht berufen, wenn er sich trotz Kenntnis der Obliegenheitsverletzung auf ein Sachverständigenverfahren eingelassen hat.
2. Eine nur unwesentliche Verbesserung des versicherten Gebäudes im Sinne der Wiederherstellungsklausel § 18 Nr. 10a AGGF liegt nicht vor, wenn der umbaute Raum des Neubaus annähernd das Doppelte des abgebrannten Gebäudes ausmacht.
3. Auf eine Beschränkung der Entschädigung auf den Zeitwert nach § 18 Nr. 1c i.V.m. Nr. 1a cc AGGF kann sich der Versicherer nicht berufen, wenn ca. 1 1/2 Jahre vor dem Versicherungsfall das versicherte Gebäude nach Einschätzung des Versicherers neuversicherungsfähig war und keine Umstände dargetan sind, dass ein kurzfristiger erheblicher Wertverlust eingetreten ist.
Verfahrensgang
LG Waldshut-Tiengen (Urteil vom 26.07.2001; Aktenzeichen 1 O 33/00) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Waldshut-Tiengen vom 26.7.2001 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die V. GmbH, 129.777,89 Euro nebst 9,5 % Zinsen seit dem 22.12.1998, an W. G. 32.657,52 Euro nebst 5,5 % Zinsen seit dem 7.2.1999 und an den Kläger 4 % Zinsen aus 162.435,41 Euro für die Zeit vom 30.10.1997 bis zum 21.12.1998 sowie weitere 7,25 % Zinsen aus 10.643,29 Euro für die Zeit vom 26.3.1998 bis 21.12.1998 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Von Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge haben der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen jeweils die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % und die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die beklagte Versicherungsgesellschaft aus Anlass eines versicherten Brandschadens auf Feststellung ihrer Leistungspflicht sowie Zahlung in Anspruch.
Der Kläger hat für seine teilunterkellerte Gewerbehalle in S., in der im Oktober 1997 ein Brand ausgebrochen ist, bei der Beklagten im Jahre 1996 im Rahmen einer dynamischen Sachversicherung eine Feuerversicherung (Anlg.-Heft K S. 11) genommen unter Einbeziehung Allgemeiner Gebäudeversicherungsbedingungen der Beklagten (AGGF - Anlg.-Heft K S. 11). Der Brandschaden, über dessen Ausmaß unter den Parteien Streit beseht, wurde zunächst unmittelbar nach dem Brand von dem Regulierungsbeauftragten der Beklagten, J. G., gemeinsam mit dem Kläger besichtigt, wobei in einer von beiden unterzeichneten Verhandlungsniederschrift (Anl.-Heft K S. 341) u.a. festgehalten worden ist, dass das Gebäude vom Versicherer vorläufig für Aufräum- und Abbrucharbeiten nicht freigegeben sei. Nach erfolgter Schadensaufnahme durch den von der Beklagten beauftragten Sachverständigen T. T. vereinbarten J. G. und der Kläger am 17.11.1997 (I, 139), dass aus Gründen der Unfallverhütung "der Brandschutt im Bereich Halle und Dachgeschoss abgeräumt werden" kann (I, 139). Unter dem 8.12.1997 erteilte das Landratsamt (LRA) L. dem Kläger die Genehmigung zum Abbruch der ausgebrannten Halle, woraufhin er zunächst die Halle bis zur Oberkante Bodenplatte (Betonplatte) abreißen ließ, alsbald darauf aber auch den restlichen Gebäudeteil (Bodenplatte und Kellergeschoss). Über diesen Totalabriss hat G. die Beklagte mit Bericht vom 7.4.1998 (I, 391) informiert. Am 13.5.1998 kam es zu einer Besprechung der Parteien, dessen Ergebnis die Beklagte mit Schreiben an den Kläger vom 18.5.1998 (II, 155) festgehalten hat und in dem sie eine Schadensregulierung anbot, die der Kläger jedoch nicht akzeptierte. Auf Verlangen des Klägers kam es schließlich zu einem Sachverständigenverfahren i.S.d. § 64 VVG, das mit einem Gutachten eines gerichtlich bestellten Obmanns endete (Anlg.-Heft K S. 197), welches von der Beklagten indessen nicht anerkannt wurde. Noch im Jahre 1998 begann der Kläger mit dem Neubau einer eingeschossigen Halle auf einem anderen Grundstück ca. 110 m entfernt von dem mit der brandgeschädigten Halle bebauten Grundstück mit annähernd doppeltem Rauminhalt.
Der Kläger, der neben der Erstattung seiner bisherigen Aufwendungen für den Hallenneubau (433.368,70 DM) die Feststellung begehrt, dass die Beklagte als Versicherungsleistung für den Brandschaden den ortsüblichen Neubauwert (beziffert mit 926.152,31 DM) schulde, hat geltend gemacht, seine Halle sei durch den Brand derart beschädigt worden, dass sie vollständig habe abgerissen werden müssen, wozu der Regulierungsbeauftragte G. telefonisch sein Einverständnis gegeben habe. Eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung sei ihm, so seine Auffassung, jedenfalls nicht anzulasten. Sein Neubau entspreche dem Altbau, zumal er die gleiche Gesamtfläche aufweise, ein Wiederaufbau an gleicher Stelle sei wirtschaftlich...