Leitsatz (amtlich)
Das Durchfahren einer Brückenunterführung mit einer mittels Verkehrszeichen angezeigten lichten Höhe von 2,70 m - die zudem durch einen rot-weißen Farbanstrich an der Unterseite der Brücke kenntlich gemacht ist - mit einem selten benutzten Lkw, der eine Höhe von 3,45 m hat, ist grob fahrlässig.
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 06.04.2004; Aktenzeichen 6 O 448/03) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Freiburg vom 6.4.2004 - 6 O 448/03 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO).
II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das LG hat zu Recht die Haftung des Beklagten gem. den §§ 823 Abs. 1 BGB, 15 Ziff. 2 AKB, 61 VVG ggü. der Klägerin bejaht.
Die unterlassene Beweiserhebung über die streitigen Behauptungen der Klägerin, der Beklagte verfüge über die Fahrerlaubnis der Führerscheinklasse 2 und er habe berufsbezogen Erfahrung im Führen von Lastkraftwagen stellt keinen Verfahrensfehler dar, da das LG auch ohne Feststellung dieser streitigen Behauptungen zutreffend zur Bewertung des Verhaltens des Beklagten als grob fahrlässig kam. Ein ausdrücklicher Hinweis vor der abschließenden Entscheidung, dass eine Beweiserhebung unterbleiben werde, war nicht erforderlich, da auch nach dem Vortrag des Beklagten das erstinstanzliche Gericht eine Beweisaufnahme lediglich erwogen hat, somit auch anstatt eines zu verkündenden Beweisbeschlusses eine andere Entscheidungsform in Betracht kam.
Das LG hat zu Recht ein grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten angenommen.
Grobe Fahrlässigkeit im Sinne der §§ 61 VVG, 15 Ziff. 2 AKB setzt objektiv einen besonders groben, über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Verstoß gegen Sorgfalts- und Verkehrspflichten und subjektiv ein in besonderer Weise vorwerfbares Verhalten, also ein beträchtliches und erhebliches schuldhaftes Versagen gegen die zu stellenden Anforderungen an die Achtsamkeit und Sorgfalt voraus (OLG Karlsruhe v. 21.2.2002 - 19 U 167/01, OLGReport Karlsruhe 2002, 189 f. = MDR 2002, 1007 m.w.N.; VersR 1993, 1096; v. 19.3.1992 - 12 U 206/91, VersR 1992, 1507 f.; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 12 AKB Rz. 75 m.w.N.). Die Beweislast für das Vorliegen grober Fahrlässigkeit trifft die Klägerin.
Objektiv grob fehlerhaft und verkehrswidrig verhält sich ein Verkehrsteilnehmer, der - wie der Beklagte - mit einem deutlich die Durchfahrtshöhe überragenden Lkw (Differenz: 75 cm) unter einer Brücke durchfährt, auf deren lichte Höhe in einem Abstand von 100 m und direkt vor der Brücke durch Zeichen 265 zu § 41 StVO sowie durch einen an der Unterkante der Brücke von weitem bereits sichtbaren Längsanstrich in rot-weißer Farbe hingewiesen wurde. Aus der aus den Lichtbildern zum Schadensgutachten erkennbaren erhöhten Sitzposition des Fahrers des beschädigten Lkws hätte es sich einem durchschnittlichen Fahrer bei der vom Beklagten behaupteten gefahrenen Geschwindigkeit von 30 km/h ohne weiteres aufdrängen müssen, dass jedenfalls der das Fahrerhaus überragende Kofferaufbau die Unterkante der Brücke bei weitem überragt. Dies gilt umso mehr, da nach dem Schadensgutachten nicht nur der Kofferaufbau, sondern auch der auf dem Fahrerhaus befindliche, höhenmäßig die Oberkante des Kofferaufbaus nicht erreichende Dachspoiler ebenfalls beschädigt wurde, so dass der Lkw-Fahrer der sich bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h langsam nähernden Gefahr deutlich bewusst werden musste. Daher ist die Schadensherbeiführung im konkreten Fall objektiv aus grober Unachtsamkeit herbeigeführt worden, auch weil von dem Führer eines Lkws verlangt werden muss, dass er die Maße seines Fahrzeugs kennt und vor dem Durchfahren von Brücken auf entsprechende Beschilderungen besonders achtet. Dass der Beklagte durch Gefahrensituationen entschuldbar abgelenkt war, hat er nicht vorgetragen. Allein die von ihm vorgebrachten Tatsachen, dass sich auf der rechten Seite ein Gehweg befand und links vor der Brücke aus einem Parkplatz ein Pkw ausfahren wollte, durfte und konnte einen durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer nicht so vom Verkehrsgeschehen ablenken, dass er die Hinweise auf die herannahende Gefahr übersehen konnte. Denn eine kritische Verkehrssituation, die die besondere Aufmerksamkeit des Beklagten hätte auf sich ziehen müssen, ist nicht vorgetragen und nicht erkennbar.
Aus diesen Umständen folgt auch das subjektiv gesteigerte Verschulden des Beklagten. Dabei kann, wie das LG zu Recht ausgeführt hat, dahingestellt bleiben, ob der Beklagte Erfahrung im Umgang mit Lkws hatte und über die Fahrerlaubnis der Klasse 2 verfügt. Denn von ihm als erfahrenem Kraftfahrer - er wird von seinem Arbeitgeber im Außendienst zu Transporten von Bäckereibedarfsartikeln eingesetzt - ist zu verlangen, dass er sich vor Fahrtantritt mit einem von ihm selten benutzten Lkw über dessen Maße kundig...