Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Pflicht des Versorgungsträgers, dem Versicherten Auskunft über bislang erworbene Rentenanwartschaften zu geben

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Haftung einer Zusatzversorgungskasse wegen falscher Rentenauskunft.

 

Normenkette

VBLS § 70a; BGB § 249

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Karlsruhe v. 27.4.2001 – 6 O 11/01 – im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, die Versorgungsrente des Klägers unter Zugrundelegung eines maßgebenden Nettoversorgungssatzes von 91,75 % zu berechnen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug tragen der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Beschwer der Beklagten übersteigt DM 60.000,00 nicht.

Von der Darstellung eines Tatbestands wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Gründe

(Teilweise abgekürzt nach § 543 Abs. 1 ZPO)

Die zulässige Berufung des Klägers hat – nach Beschränkung des Berufungsangriffs – Erfolg.

I. Der Kläger kann von der Beklagten Schadensersatz wegen im Ansatz des maßgeblichen Nettoversorgungssatzes falscher Rentenauskunft vom 28.2.2000 verlangen. Insofern ist eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung der Beklagten durch die Rentenauskunft vom 28.2.2000 festzustellen (vgl. auch OLG Hamm v. 17.6.1994 – 20 U 407/93, VersR 1996, 392).

4. Gem. § 70a VBLS ist die Anstalt verpflichtet, dem Versicherten nach Maßgabe von Ausführungsbestimmungen Auskunft über die erworbenen Rentenanwartschaften zu erteilen. Es versteht sich von selbst, dass diese Auskunft frei von vermeidbaren Fehlern sein muss. Fehlerhafte Auskünfte können angesichts der finanziellen Tragweite für den Versicherten Schadensersatzverpflichtungen nach sich ziehen.

a) Gem. Ziff. 1 der Ausführungsbestimmungen zu § 70a VBLS haben Pflichtversicherte, die das 55. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit (§ 38) erfüllt haben, auf Antrag Anspruch auf Auskunft über die Höhe der bestehenden Anwartschaft auf Versorgungsrente (§ 40). Hintergrund dieser Regelung ist das berechtigte Bedürfnis der Versicherten, die das Rentenalter erreicht haben, zur Vorbereitung ihrer Entscheidung, ob und wann sie Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres bei der gesetzlichen Rentenversicherung beantragen und damit den Eintritt des Versicherungsfalls in der Zusatzversorgung herbeiführen sollen, zu erfahren, wie hoch die bereits erreichte Anwartschaft auf Versorgungs- oder Versicherungsrente ist. Jeder Monat zusätzlicher Versicherungszeit kann unter Umständen die Gesamtversorgung erhöhen oder auch nicht mehr steigern, wenn bereits 75 % des gesamtversorgungsfähigen Entgelts erreicht sind (Gilbert-Hesse, VBLS, § 70a Anm. 1). Für Pflichtversicherte in der Situation des Klägers zum Zeitpunkt der Rentenauskunft wird eine Versorgungsrente nach §§ 40ff berechnet, und zwar „auf den Zeitpunkt, der für die Berechnung der Auskunft des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung maßgebend war”. Das bedeutet, dass so zu rechnen ist, als sei der Versicherungsfall zu dem Zeitpunkt eingetreten, den auch die gesetzliche Rentenversicherung für ihre Auskunft angenommen hat. War zu diesem Zeitpunkt die Wartezeit nicht oder noch nicht erfüllt, ist eine Vorausberechnung der Versorgungsrente für diesen angenommenen Versicherungsfall nicht möglich; denn es besteht keine Anwartschaft. Selbst wenn der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung einen lange zurückliegenden Versicherungsfall angenommen hat, darf die Anstalt nur dieses Datum als Eintritt des Versicherungsfalls ansetzen und bei der Berechnung des gesamtversorgungsfähigen Entgelts (§ 43 VBLS) und der gesamtversorgungsfähigen Zeit (§ 42 VBLS) nur bis zum angenommenen Beginn der Rente berücksichtigen (vgl. hierzu Gilbert-Hesse, VBLS, § 70a Anmerkung 4).

b) Diesen Vorgaben hat die Rentenauskunft der Beklagten vom 28.2.2000 nicht genügt. Die Beklagte hat vielmehr (Auskunft Anlage 3/Blatt 4) die maßgebende Gesamtversorgung auf Grund eines über die Vergleichsberechnung gem. § 98 Abs. 5 VBLS ermittelten Nettoversorgungssatzes von 91,75 % ermittelt. Unterlassen hat sie dabei die gem. § 98 Abs. 6 VBLS gebotene Verminderung der Versorgungssätze um 24 Monate, obwohl ihr dies auf Grund der vorliegenden Daten unschwer möglich gewesen wäre. Sie hat deshalb in der Sache ihre Auskunft so erteilt, als sei der Kläger mit Eintritt des 65. Lebensjahres in den Ruhestand getreten. Dies entspricht jedoch weder der Sachlage am 11.1.2000 noch wird damit dem Sinn und Zweck der Auskunftsverpflichtung Rechnung getragen. Der auskunftssuchende Kläger wurde damit objektiv über eine für seine Entscheidung über einen Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand maßgebliche Tatsache getäuscht. Nach Auffassung des Senats spricht vieles dafür, dass die Beklagte selbst unter dem Begriff „Eintritt des Versicherungsfalles” den Versicherungsfall bei regelmäßigem Rentenbeginn meint. Dies i...

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