Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an den Schallschutz bei einer komfortablen Eigentumswohnung und zum Stand der anerkannten Regeln der Technik im Schallschutz.
Normenkette
BGB § 633
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 5 O 361/03) |
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte, eine Bauträgerfirma, wegen behaupteten mangelhaften Schallschutzes auf sog. großen Schadensersatz mit Rückabwicklung eines Kaufvertrages über eine Eigentumswohnung in Anspruch.
In dem notariellen Kaufvertrag vom 1.6.1999 verpflichtete sich die Beklagte, eine Penthousewohnung in der von ihr noch zu errichtenden Eigentumswohnanlage in F. nach den am 7.4.1999 baurechtlich genehmigten Plänen und nach der als Anlage beigefügten Baubeschreibung zum Kaufpreis von 877.400 DM zu erstellen. Sie ist 110,67 qm groß.
Nach der Baubeschreibung waren die Wohnungstrennwände und Treppenhauswände aus Schallschutzziegeln und das Mauerwerk der Außenwände in Poroton oder gleichwertig auszuführen. Die Wände des Fahrstuhlschachtes waren schalltechnisch getrennt zum anschließenden Treppenhaus bzw. Wohnungsmauerwerk auszuführen, die Innentreppen gleichfalls schallentkoppelt. Die Rohrbefestigungen und - aufhängungen waren mit schalldämmenden Einlagen zu versehen, schließlich die Warm- und Kaltwasserleitungen u.a. gegen Körperschallübertragung zu isolieren. Auf den Stahlbetongeschossdecken war schwimmender Estrich mit Wärme- und Trittschalldämmung vorgesehen. In dem zum Vertrieb verwendeten Prospekt mit der Bezeichnung "Naturpark V." wurde unter einigen Merkmalen für die Werthaltigkeit und Ausgewogenheit des Angebots auf hochwertige Bauqualität, "besonders schallisolierte Wohnungstrennwände", "Wohnungseingangstüren mit einem Höchstmaß an Schallschutz und Einbruchsicherung" hingewiesen. Als Auszug aus der Baubeschreibung wurde besonders auf "tragende Innenwände ebenfalls in Ziegelmauerwerk, Wohnungstrennwände aus Schallschutzziegeln 36 cm dick" sowie Stahl-Massivtreppen schallentkoppelt mit Marmor oder Granitbelag hingewiesen. Die Wohnungseingangstüren wurden mit 3-fach-Falz und Schallex, die Türelemente mit 3-fach Verriegelung hervorgehoben. Zuletzt heißt es: "Im Ergebnis: Raum, Ruhe, Luxus wo gibt es etwas besseres ...?"
Nach Abnahme und Übergabe ist die Klägerin tags darauf am 27.2.2001 in die Wohnung eingezogen. Wegen der von ihr beanstandeten Geräuschbelästigungen nach Einzug weiterer Eigentümer betrieb die Klägerin ein selbständiges Beweisverfahren - LG Freiburg 8 OH 15/01 -, in dem ein Gutachten des Sachverständigen B. vom 27.12.2002 und ein Schallschutzgutachten des Sachverständigen Dr. M. vom 28.6.2002 eingeholt wurde, das der Sachverständige Dr. Müller am 8.10.2002 und 25.4.2003 ergänzte.
Verhandlungen der Parteien über ihre Anwälte wegen möglicher Maßnahmen zur Verbesserung des Schallschutzes führten zu keiner Einigung. Mit Schreiben vom 30.7.2003 stellte sich die Beklagte in Bezug auf den Luftschall auf den Standpunkt, dass eine Verbesserung zwar zu erreichen sei, eine Verbesserung auf das Niveau der SSt II oder gar III aber zu bezweifeln sei. Sie sehe daher keine Möglichkeiten einer effektiven Nachbesserung.
Das LG hat durch Grundurteil den Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz wegen Mangelhaftigkeit der nach dem Vertrag vom 1.6.1999 geschuldeten Eigentumswohnung dem Grunde nach als großen Schadensersatz für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Mit zutreffenden Erwägungen hat das LG einen Anspruch der Klägerin auf großen Schadensersatz wegen Schallmängeln der von ihr erworbenen Eigentumswohnung dem Grunde nach bejaht. Die Angriffe der Berufung hiergegen sind nicht begründet.
Obwohl die von der Klägerin geltend gemachten Mängel zumindest überwiegend das Gemeinschaftseigentum betreffen, ist die Klägerin berechtigt, ohne Mitwirkung der übrigen Miteigentümer großen Schadensersatz mit Rückabwicklung des Kaufvertrages geltend zu machen. Zwar kann bei Mängeln des Gemeinschaftseigentums der einzelne Wohnungseigentümer keinen Einfluss auf die Rechte der anderen Wohnungseigentümer nehmen und deshalb, wenn Minderung oder kleiner Schadensersatz geltend gemacht werden sollen, keine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung zu deren Durchsetzung vornehmen (BGH NJW 1998, 2997; NJW 1974, 2207 jeweils m.w.N.). Etwas anderes gilt jedoch, wenn, wie hier von der Klägerin, großer Schadensersatz mit Rückabwicklung des Kaufvertrages beansprucht wird.
Diese Forderung der Klägerin findet ihre rechtliche Grundlage in § 635 BGB a.F., da auf das Rechtsverhältnis der Parteien das am 31.12.2001 geltende Recht Anwendung findet (Art. 229 § 5 EGBGB). Danach kann der Besteller Schadensersatz - auch in der Form des sog. großen Schadensersatzes - beanspruchen, wenn das hergestellte Werk mit Mängeln behaftet ist, die trotz Nachbesserungsaufforderung mit Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung (§ 634 BGB a.F.) nicht beseitigt sind oder wenn, wie hier, eine besondere Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung deshalb entbehrlich ist...