Leitsatz (amtlich)
Die Nachfrageobliegenheit, deren Verletzung dem Versicherer die Berufung auf ein Anzeigepflichtverletzung versagt, gilt auch für Direktversicherer.
Die Errichtung des Carports stellt in der Wohngebäudeversicherung keine Gefahrerhöhung dar.
Zur Einbeziehung eines nachträglich errichteten Carports in den Versicherungsschutz einer Wohngebäudeversicherung.
Normenkette
VVG §§ 16-17, 20, 23; VVG a.F. § 25; VGB 88 § 21
Verfahrensgang
BGH (Beschluss vom 19.05.2010; Aktenzeichen IV ZR 166/09) |
LG Karlsruhe (Urteil vom 23.12.2008; Aktenzeichen 8 O 474/07) |
Tenor
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 23.12.2008 - 8 O 474/07 - in Ziff. 1 und 2 wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu leisten für die am Wohnhaus und Carport auf dem Grundstück Am Sch 31 in C durch den Brand vom 8.6.2007/9.6.2007 entstandenen Schäden.
2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten aus einer Wohngebäudeversicherung.
Der Kläger und seine Ehefrau sind zu je ½ Eigentümer eines Grundstücks, auf dem im Jahr 2003 ein Haus in Fertigbauweise erstellt wurde. Für das bebaute Grundstück stellte der Kläger unter dem 13.2.2003 bei der Beklagten einen Antrag auf Abschluss eines Gebäudeversicherungsvertrages.
Die Antragstellung erfolgte über den Makler G. In den Antragsschein (Anlage K 3) wurden u.a. folgende handschriftliche Eintragungen gemacht:
- unter der Rubrik: "Versichertes" wurde "Einfamilienhaus" angekreuzt, das Kästchen neben "Garage(n)/Carports" wurde freigelassen;
- unter der Rubrik: "Bauart" wurde in das Feld hinter "Mauerwerk" das Wort "MASSIV" eingetragen, in das Feld hinter "Dachung" die Bezeichnung "HART";
- in das Feld hinter "Fertighausgruppe" wurde "II" eingetragen;
Auf der vom Kläger vorgelegten Kopie befindet sich neben diesen Angaben der handschriftliche Vermerk: "Infos vom Anbieter?". Auf dem bei der Beklagten eingegangenen Antrag fehlt dieser Vermerk.
Zusammen mit dem Versicherungsantrag wurde seitens des Maklers dem Kläger ein zweiseitiges Merkblatt mit dem Titel "Wohngebäudeversicherung" vorgelegt (Anlage K 4). Auf jeder Seite des Merkblattes - wie auch des Antrags vom 13.2.2003 - befindet sich im unteren bzw. im oberen Bereich ein Eindruck der Firma "M" GmBH, einer Vermittlungsorganisation, der der Makler G angehört. Auf der zweiten Seite des Merkblatts befindet sich eine Übersicht zur Bauartklassen-Einteilung. Hierunter finden sich zwei Tabellen, die untere Tabelle ist mit "Fertighausgruppen (FHG)" überschrieben. Hierin ist zu lesen:
"I. In allen Teilen - einschl. der tragenden Konstruktion - aus feuerbeständigen Bauteilen (massiv).
II. Fundament massiv, tragende Konstruktion aus Stahl, Holz, Leichtbauteilen oder dergleichen, außen mit feuerhemmenden Bauteilen bzw. nicht brennbaren Baustoffen verkleidet (z.B. Putz, Klinkersteine, Gipsplatten, Asbestzement, Profilblech, kein Kunststoff.
III. Wie FHG II, jedoch ohne feuerhemmende Ummantelung bzw. Verkleidung."
Der Versicherungsschein vom 28.7.2003 (Anlage K 5) nennt als gültige Bedingungen:
VGB 88
SGIN 93
Satzung M-Wohngebäude 01/2002
Nach Ziff. 1.5 der M-Deckungserweiterungen besteht "eine Vorsorgeversicherung für Um-, An- und Ausbauten oder Neubauten auf dem Versicherungsgrundstück bis zu einem Vorsorgebetrag von MK 3.000 multipliziert mit dem aktuellen Neubauwert."
Im Jahre 2004 wurde mit behördlicher Genehmigung neben dem Einfamilienhaus ein Carport errichtet. Der Aufwand lag unter MK 3.000. Am 8.6.2007 kam es aus ungeklärter Ursache gegen 22:30 Uhr zu einem Brand, der im Bereich des Carports ausbrach. Der Brand erfasste zunächst den Carport, dann die Giebelseite des Hauses; wobei die Hausfenster platzten und das Feuer auf den Dachstuhl übergriff. Durch Löscharbeiten kam es neben den Brand auch zu erheblichen Wasserschäden.
Der entstandene Schaden wurde zunächst mündlich und anschließend am 13.6.2007 schriftlich an die Beklagte gemeldet (Anlage K 9). Am 14.6.2007 übersendete der Kläger der Beklagten außerdem einen Kostenvoranschlag der Firma G (Anlage K 10). Im weiteren Verlauf wurde seitens der Beklagten die Übernahme des Versicherungsschutzes abgelehnt.
Der Kläger hat geltend gemacht, im Versicherungsantrag seien keine unrichtigen Angaben gemacht worden. Tatsächlich entspreche das versicherte Haus der Fertighausgruppe II. Die Fundament und Keller seien aus Beton hergestellt und damit massiv; die tragende Konstruktion des Hauses als solche bestehe entsprechend der Bauartklasseneinteilung aus Holz. Der...