Leitsatz (amtlich)

Ein Kreditinstitut, das im Hinblick darauf, dass ein Dritter den Auszahlungsanspruch eines Kunden gepfändet und sich zur Einziehung hat überweisen lassen und darüber ein Prätendentenstreit anhängig ist, den Betrag nicht auszahlt aber auch nicht hinterlegt oder zugunsten des Berechtigten anlegt, schuldet als schuldhaft nicht gezogene Nutzungen den erzielbaren Tageszinssatz.

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 07.11.2003; Aktenzeichen 2 O 110/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG vom 7.11.2003 - 2 O 110/03 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Ziff. 1 700 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 1.713,80 Euro seit 10.4.2003 und an die Klägerin Ziff. 2 1.400 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 3.227,60 Euro seit 10.4.2003 zu bezahlen. Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten erster Instanz tragen die Klägerin Ziff. 1 zu 30 %, die Klägerin Ziff. 2 zu 54 % und die Beklagte zu 16 %. Die außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Beklagten tragen die Klägerin Ziff. 1 zu 30 % und die Klägerin Ziff. 2 zu 54 %. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Klägerin Ziff. 1 zu 15 % und diejenigen der Klägerin Ziff. 2 zu 16 %. Im Übrigen behalten die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten auf sich.

Von den Gerichtskosten zweiter Instanz tragen die Beklagte 47 %, die Klägerin Ziff. 1 19 % und die Klägerin Ziff. 2 34 %.

Von den außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz der Beklagten trägt die Klägerin Ziff. 1 19 % und die Klägerin Ziff. 2 34 %. Die außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz der Klägerin Ziff. 1 trägt die Beklagte zu 43 % und diejenigen der Klägerin Ziff. 2 zu 49 %. Im Übrigen behalten die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten auf sich.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestands wird abgesehen (§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO).

Die Berufung der Klägerinnen ist teilweise begründet.

Aus dem Zeitraum zwischen dem 28.11.2000 und dem 18.2.2003 steht der Klägerin Ziff. 1 eine Nutzungsentschädigung i.H.v. 700 Euro und der Klägerin Ziff. 2 eine solche i.H.v. 1.400 Euro gem. den §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 4, 819 Abs. 1, 292 Abs. 2, 987 Abs. 2 BGB zu, da die Beklagte es schuldhaft versäumt hat, aus dem den Klägerinnen zustehenden Kapital aus den Namensschuldverschreibungen i.H.v. 100.000 DM bzw. 200.000 DM entsprechende Nutzungen nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft zu ziehen.

Das LG hat allerdings zu Recht entschieden, dass die Klägerinnen keinen Zinsanspruch aus den §§ 812, 818 Abs. 1, Abs. 2 BGB haben.

Ob und in welchem Umfange die §§ 812, 818 BGB einen Zinsanspruch der Klägerinnen für die Zeit rechtfertigen, in der ihnen das Kapital ohne Rechtsgrund vorenthalten wird, ist im Schrifttum umstritten und auch von der Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärt. Einigkeit besteht darüber, dass nach Bereicherungsrecht jedenfalls nicht der Vertragszins oder ein erhöhter Stundungszins zu zahlen ist (BGH v. 8.10.1991 - XI ZR 259/90, BGHZ 115, 268 = MDR 1992, 151; v. 28.4.1988 - III ZR 57/87, BGHZ 104, 337 = MDR 1988, 758). Da der Anspruch aus § 818 Abs. 1, Abs. 2 BGB auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen beschränkt ist, hat das LG zu Recht einen solchen Anspruch den Klägerinnen nicht zuerkannt. Denn die in erster Instanz durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Beklagte tatsächlich keine Nutzungen aus dem auszuzahlenden, am 22.11.2000 fällig gewordenen Kapital gezogen hat.

Die ausgeurteilten Zinsbeträge schuldet die Beklagte jedoch gem. den §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 4, 819 Abs. 1, 292 Abs. 2, 987 Abs. 2 BGB, da die Beklagte schuldhaft Nutzungen aus dem den Klägerinnen zustehenden Kapital nicht gezogen hat. Obwohl die Beklagte die Auszahlung des Kapitals aus den den Namensschuldverschreibungen zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vereinbarungen schuldete und vertragliche Ansprüche solche aus Bereicherungsrecht grundsätzlich ausschließen, ist sie dennoch zur Herausgabe von gezogenen bzw. schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen nach den §§ 812 ff. BGB verpflichtet. Denn das den Klägerinnen zustehende Kapital hat sie diesen ohne Rechtsgrund vorenthalten (BGH v. 8.10.1991 - XI ZR 259/90, BGHZ 115, 268 = MDR 1992, 151; v. 28.4.1988 - III ZR 57/87, BGHZ 104, 337 = MDR 1988, 758) und hat hierdurch die Nutzungsmöglichkeit des Kapitals i.S.d. § 812 Abs. 1 BGB erlangt (Lieb in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 812 Rz. 365; § 818 Rz. 146). So hat der BGH die Möglichkeit eines derartigen Anspruchs im Zusammenhang mit der nicht fristgemäßen Rückgewähr eines Darlehens für die Zeit nach vertragsgemäßer Nutzungsmöglichkeit des Darlehenskapitals erörtert, ohne hierüber abschließend befinden zu müssen. Der vorliegende Fall ist demjenigen vergleichbar, da die Beklagte "wie ein Darlehensnehmer" das Kapital bis zur Auszahlungsreife nutze...

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