Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsfähigkeit der Privatgutachterkosten des Kfz. -Haftpflichtversicherers in einer Verkehrsunfallsache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vorprozessuale Privatgutachterkosten eines Kfz. - Haftpflichtversicherers dienen in der Regel der Prüfung der Einstandspflicht und sind daher nur in Ausnahmefällen und zudem nicht pauschaliert erstattungsfähig.

2. Werden innerprozessual schwierige unfallanalytische Fragen entscheidungserheblich, darf ein Kfz. - Haftpflichtversicherer zu deren Klärung einen Privatgutachter beauftragen. Einen Erfahrungssatz, dass Versicherungsunternehmen dazu aus eigener Sachkunde vortragen können, gibt es nicht.

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 286; BGB §§ 670 ff

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 07.12.2010; Aktenzeichen 5 O 174/07)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 7.12.2010 teilweise geändert:

Die nach dem Urteil des OLG Koblenz vom 28.6.2010 von den Klägern an die Beklagten zu erstattenden weiteren Kosten werden festgesetzt auf 856,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5.8.2010.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten der Beschwerde haben die Beklagten zu tragen. Die Gebühr gemäß KV 1812 zum GKG wird nicht ermäßigt.

Die außergerichtlichen Kosten der Beschwerde (Wert: 3.118,63 EUR) tragen die Kläger zu 27 % und die Beklagten zu 73 %.

 

Gründe

I. Die Kläger haben nach einem Verkehrsunfall vom 11.9.2005 Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten und dessen Haftpflichtversicherung geltend gemacht. Der Unfallhergang, der auch Gegenstand eines gegen den Beklagten gerichteten Strafverfahrens wegen fahrlässiger Tötung war, wurde durch Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten geklärt. Das Strafverfahren wurde letztlich eingestellt, die Zivilklage in zweiter Instanz abgewiesen.

Während des laufenden Strafverfahrens erstellte der Sachverständige S. im Oktober 2006 im Auftrag der beklagten Versicherung ein Gutachten für das er 2.261,83 EUR (1.742,50 EUR "Grundhonorar" zzgl. Nebenkosten) berechnete.

Während des Zivilverfahrens hier, das im April 2007 anhängig gemacht wurde, beriet der Sachverständige die Beklagten zweimal und stellte dafür 327, 25 EUR unter dem 27.11.2008 und 529,55 EUR unter dem 6.11.2009 in Rechnung.

Die Kosten von insgesamt 3.118,63 EUR haben die Beklagten mit Eingang bei Gericht am 5.8.2010 zur Erstattung nachgemeldet. Mit der angefochtenen Entscheidung hat der Rechtspfleger deren Berücksichtigung abgelehnt.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat einen Teilerfolg (856,80 EUR); sie ist im Übrigen (2.261.83 EUR) nicht begründet.

1.1 Die Festsetzung der 2.261,83 EUR für das Gutachten S. (Rechnung vom 20.10.2006) hat der Rechtspfleger zu Recht abgelehnt. Insoweit ist das Rechtsmittel erfolglos.

Die Kosten eines vorprozessual privat eingeholten Gutachtens sind in Ausnahmefällen erstattungsfähig, wenn es gerade mit Rücksicht auf diesen konkreten Rechtsstreit in Auftrag gegeben wurde. Aufwendungen, die entstehen, bevor sich der Rechtsstreit einigermaßen deutlich abzeichnet, sind nicht erstattungsfähig (BGH NJW 2003, 1398). Dient das Gutachten der Prüfung der vertraglichen Einstandspflicht und wird es lange vor Prozessbeginn in Auftrag gegeben, so sprechen diese Indizien gegen einen konkreten Prozessbezug (OLG Koblenz VersR 2007, 1100). Hinzu kommt hier die zeitliche und gegenständliche Nähe zum Strafverfahren, in dem das Gutachten zur Entlastung des Beklagten vorgelegt wurde (BGH NJW 2006, 2415). Auch von daher kann ein konkreter Bezug zum Zivilverfahren nicht festgestellt werden. Die Kosten für das Gutachten sind schon dem Grunde nach nicht zu erstatten.

1.2 Darüber hinaus hat der Sachverständige seine Kosten gegenüber der Beklagten auf der Basis eines pauschalen "Grundhonorars" abgerechnet. Es ist nicht nachprüfbar, für welche Tätigkeiten, welcher Aufwand angefallen und berechnet worden ist. Nach der Rechtsprechung des Senats kann aber ein privat beauftragter Sachverständiger außerhalb der für ihn maßgeblichen Honorarordnung nicht pauschaliert abrechnen. Erforderlich ist vielmehr ein Einzelnachweis, damit der Umfang der sachverständigen Arbeiten und deren Prozessbezug überprüfbar sind (OLG Koblenz in OLGReport Koblenz 2006, 224).

2. Die weiter geltend gemachten 856,80 EUR sind hingegen notwendige Kosten des Rechtsstreits und zu Lasten der Kläger festzusetzen. Kosten eines innerprozessual eingeholten Privatgutachtens oder einer den Prozess begleitenden sachverständigen Beratung sind nämlich in Ausnahmefällen erstattungsfähig, wenn sich eine Partei sachverständiger Hilfe bedienen musste, um ihrer Substantiierungspflicht genügen oder ein gerichtlich eingeholtes Gutachten widerlegen zu können (OLG Koblenz in VersR 2002, 1531, BauR 2002, 1131 und BauR 2004, 539). Dies war hier der Fall.

Die am 27.11.2008 berechneten 327,25 EUR für "1 Stunde Aktenstudium und 2 Stunden Ausarbeitung Stellungnahme" (85 EUR je Stunde) zzgl. Nebenkosten sta...

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