Leitsatz (amtlich)
Parallel zu einem im Zielstaat einer behaupteten Kindesentführung durchgeführten Rückgabeverfahren nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen besteht im Inland (Herkunftsstaat) regelmäßig kein Eilbedürfnis (Anordnungsgrund) für eine einstweilige Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts.
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 1-2; FamFG § 49 Abs. 1; HKÜ Art. 8
Verfahrensgang
AG Idar-Oberstein (Aktenzeichen 802 F 13/23 eA) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Idar-Oberstein vom 07.02.2023, Aktenzeichen 802 F 13/23 eA, wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Verfahrenswert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
4. Der Antragsgegnerin wird mit Wirkung ab Antragstellung Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die nicht miteinander verheirateten, gemeinsam sorgeberechtigten Eltern des Kindes S., geboren am ... 2021. Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger, die Mutter ist polnische Staatsangehörige. Das Kind hat die deutsche Staatsangehörigkeit.
Die Eltern trennten sich im Sommer 2022. S. hatte seinen Lebensmittelpunkt zunächst im Haushalt der Mutter in R., hielt sich aber tagsüber regelmäßig auch beim Antragsteller und insbesondere in der von ihm betriebenen Pizzeria auf.
Am ... 2022 reiste die Mutter mit Zustimmung des Vaters - wie bereits mehrmals zuvor - mit dem Sohn nach Polen, um ihre dort lebende Familie zu besuchen. Sie gab dem Vater gegenüber an, im Januar 2023 nach Deutschland zurückkehren zu wollen. Im Dezember teilte sie ihm jedoch mit, dass sie mit S. dauerhaft in Polen bleiben wolle. Eine Rückkehr erfolgte bisher nicht.
Der Vater ist mit einem Verbleib des Kindes in Polen nicht einverstanden und strebt eine Rückführung von S. nach Deutschland an. Zu diesem Zweck hat er auch ein Verfahren nach dem Haager Kindesentführungsabkommen (HKÜ) angestrengt. Eine Entscheidung hierüber ist bisher noch nicht erfolgt.
Mit Schriftsatz vom 09.01.2023 wandte sich der Vater sodann an das Familiengericht und begehrte den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Er trägt vor, die Mutter verwehre ihm den Kontakt mit seinem Sohn. Am .... 2023 habe er sich in Begleitung der örtlichen Polizei zur Wohnung der Mutter in Polen begeben, jedoch habe sie ihm jeglichen persönlichen Kontakt zu seinem Sohn verwehrt. Lediglich einen kurzen Kontakt per Video-Telefonie habe es gegeben. Weitere Kontakte habe die Mutter von der Zahlung von Unterhalt abhängig gemacht. Er sehe das Wohl des Kindes bei einem weiteren Aufenthalt bei der Mutter gefährdet. S. sei bei der Mutter nicht bestmöglich versorgt. Zudem seien durch den Wechsel des Aufenthalts nicht nur die Bindungen des Kindes zu ihm, sondern auch zu seinem sonstigen räumlichen und sozialen Umfeld abgebrochen worden.
Er hat beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung
das Aufenthaltsbestimmungsrecht über das gemeinsame Kind S., geboren am .... 2021, einstweilen bis zur anderweitigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren auf den Antragsteller (Kindesvater) allein zu übertragen.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, das gemeinsame Kind S., geboren am .... 2021, an den Antragsteller (Kindesvater) herauszugeben.
Die Mutter hat mit Schriftsatz vom 18.01.2023 Stellung genommen und erklärt, dass sie mit Einverständnis des Vaters nach Polen gereist sei. Dieser habe sie zuvor wiederholt mit dem Tode bedroht und auch das Kind einmal in die Türkei entführt. In Deutschland habe sie Angst gehabt, Kritik am Vater zu äußern und sich an die zuständigen Behörden zu wenden. Dies sei ihr erst gelungen, als sie im Kreise ihrer Familie in Polen gewesen sei. Zum Gerichtstermin wolle sie aus Angst um ihre eigene Sicherheit nicht erscheinen.
Das Familiengericht hat den Vater, die bestellte Verfahrensbeiständin sowie die Vertreterin des Jugendamtes am 24.01.2023 persönlich angehört. Die Mutter ist zu dem Termin - wie angekündigt - nicht erschienen. Von einer Anhörung des Kindes sah das Familiengericht ab.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 07.02.2023 hat das Familiengericht die Anträge des Antragstellers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass im Rahmen der im Verfahren zur einstweiligen Anordnung nur erfolgenden summarischen Prüfung nicht festgestellt werden könne, dass eine Aufhebung des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts und eine Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspreche. Es sei davon auszugehen, dass die Eltern beide im Wesentlichen in gleicher Weise in der Lage wären, das Kind in seiner Entwicklung zu fördern. Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls im Haushalt der Mutter gebe es nicht. Die Stabilität des Pflege- und Erziehungsverhältnisses zur Mutter, die das Kind überwiegend betreut und bis zuletzt auch gestillt habe, spreche gegen einen Wechsel des Kindes in die Obhut des Vaters. Auch wenn die Mutter hier eigenmächtig und gegebenenfalls strafbar g...