Leitsatz (amtlich)

Aus der Postulationsfähigkeit eines beim Prozessgericht nicht zugelassenen auswärtigen Rechtsanwalts folgt nicht, dass es sich bei seinen Reisekosten zur Wahrnehmung von Gerichtsterminen um notwendige Prozesskosten i.S.v. § 91 ZPO handelt. Im Interesse kostensparender Prozessführung sind die Parteien vielmehr grundsätzlich gehalten, Anwälte in Gerichtsnähe mit der Prozessvertretung zu betrauen

(Abweichung von OLG Düsseldorf JurBüro 2001, 199 [200]; OLG Frankfurt JurBüro 2000, 587; Enders, JurBüro 2001, 198 [199]).

 

Normenkette

ZPO § 91; BRAGO § 28

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 15 O 51/00)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 29.5.2001 dahin geändert, dass die von der Klägerin an den Beklagten zu erstattenden Kosten auf 2.616,21 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1.3.2001 festgesetzt werden.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

Der Beschwerdewert beträgt 308,53 DM (= 276,32 DM nebst 16 % Mehrwertsteuer abzüglich 12 DM).

 

Gründe

Das fristgemäß eingelegte Rechtsmittel ist begründet.

Der Beklagte hat keinen Anspruch auf uneingeschränkte Erstattung der Kosten, die damit zusammenhängen, dass sein Prozessbevollmächtigter seinen Kanzleisitz in einem auswärtigen Gerichtsbezirk hat und deshalb zur Terminswahrnehmung zum Ort des Prozessgerichts reisen musste. Vielmehr kann der Beklagte nur so gestellt werden, wie er stünde, wenn er einen am Gerichtsort ansässigen Prozessvertreter beauftragt hätte. Dann wären keine anwaltlichen Reisekosten, sondern lediglich – deutlich geringere – Parteireisekosten zu dem Prozessvertreter angefallen, so dass die Erstattungsforderung des Beklagten entsprechend zu begrenzen ist.

Entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (etwa OLG Zweibrücken JurBüro 2001, 202) folgt dieses Ergebnis allerdings nicht aus § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO. Aus der Vorschrift lässt sich lediglich entnehmen, dass solche Mehrkosten nicht erstattet werden, die der obsiegenden Partei deshalb entstehen, weil der bei dem Prozessgericht zugelassene Rechtsanwalt nicht am Gerichtsort sitzt; darum geht es hier indessen nicht (vgl. KG JurBüro 2001, 257 [258]; OLG Düsseldorf JurBüro 2001, 255; OLG Frankfurt JurBüro 2000, 587; OLG Schleswig JurBüro 2001, 197). Denn der Prozessbevollmächtigte des Beklagten ist – auch wenn er aufgrund der Neuregelung, die § 78 ZPO zum 1.1.2000 erfahren hat, vor dem Prozessgericht in Koblenz postulationsfähig ist – nicht bei diesem Gericht, sondern in Köln zugelassen.

Ein entscheidendes Hindernis für die Erstattungsfähigkeit der streitigen anwaltlichen Reisekosten ergibt sich jedoch aus § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO. Danach hängt die Erstattung der Reisekosten eines postulationsfähigen, aber beim Prozessgericht nicht zugelassenen Rechtsanwalts davon ab, dass seine Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Von dieser Voraussetzung kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Der Beklagte wäre nämlich in der Lage gewesen, das Mandat an einen Koblenzer Anwalt zu vergeben.

Die Neuregelung von § 78 ZPO ist für diese Beurteilung ohne Belang (OLG Hamburg JurBüro 2001, 203; OLG Karlsruhe JurBüro 2001, 201; a.A. OLG Düsseldorf JurBüro 2001, 199 [200]; OLG Frankfurt JurBüro 2000, 587; Enders, JurBüro 2001, 198). Dadurch wurde zwar die Möglichkeit geschaffen, dass Anwälte auch vor anderen Landgerichten als dem LG auftreten können, bei dem sie zugelassen sind, und dementsprechend haben sich die Auswahlmöglichkeiten der Prozesspartei erweitert, die sich nunmehr von jedem in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen darf. Das heißt aber nicht, dass die Beauftragung eines außerhalb ansässigen Anwalts stets als notwendig zu betrachten wäre und der in die Prozesskosten verurteilte Gegner deshalb uneingeschränkt für die damit verbundenen Zusatzkosten aufzukommen hätte. Wollte man den Begriff der Notwendigkeit der Einschaltung eines bestimmten Anwalts bereits aus dessen Postulationsfähigkeit herleiten, hätte man auch schon vor der Änderung des § 78 ZPO die Mehrkosten als erstattungsfähig ansehen müssen, die in Amtsgerichtsprozessen mit der Vertretung durch auswärtige Anwälte verbunden waren. Das ist indessen, soweit ersichtlich, grundsätzlich nicht geschehen.

Ob Anwaltskosten notwendig sind oder nicht, ist aus der Sicht einer verständigen, sparsam handelnden Partei zu beantworten. Jede Partei hat den prozessbezogenen Aufwand so niedrig zu halten, wie dies ihre prozessualen Belange gestatten. Das dient der Eindämmung des Kostenrisikos und liegt damit im Interesse eines effektiven, weil wirtschaftlich tragbaren Rechtsschutzes.

Vor diesem Hintergrund war der Beklagte gehalten, einen Anwalt in Gerichtsnähe mit seiner Prozessvertretung zu betrauen. Das hätte den prozessbezogenen Aufwand – von vornherein erkennbar – geringer gehalten, weil dann im Rahmen der anwaltlichen Terminswahrnehmung Fahrten hätten vermieden werden können und darüber hinaus auch die Entfernung zwis...

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