Leitsatz (amtlich)
1. Befassen sich die Gründe des angefochtenen Urteils mit der Frage eines Verwertungsverbots, kann der Senat auch ohne Verfahrensrüge auf die Sachrüge hin eine (eingeschränkte) Überprüfung der angenommenen Verwertbarkeit des Beweismittels dahingehend vorzunehmen, ob die Urteilsfeststellungen die Schlussfolgerung des Bußgeldrichters rechtfertigen.
2. Ist anzunehmen, dass sich die Blutalkoholkonzentration im Grenzbereich von Ordnungswidrigkeit und Straftat bewegt, können die Polizeibeamten berechtigt sein, aufgrund ihrer Eilanordnungskompetenz die sofortige Entnahme einer Blutprobe zu veranlassen.
Verfahrensgang
AG Koblenz (Entscheidung vom 02.08.2010) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Koblenz vom 2. August 2010 wird als offensichtlich unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 S. 1 StPO).
Gründe
Die Nachprüfung der Entscheidung aufgrund der Beschwerderechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 und 3 StPO).
Zu Recht hat der Bußgeldrichter ein Verwertungsverbot für das Ergebnis der ohne richterliche Anordnung entnommenen Blutprobe verneint. Eine Überprüfung der Verwertbarkeit dieses Beweismittels ist dem Rechtsbeschwerdegericht nicht verwehrt, auch wenn es hierzu grundsätzlich einer Verfahrensrüge bedarf, die vorliegend, worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hinweist, nicht in der nach §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Form ausgeführt worden ist. Da die Gründe des angefochtenen Urteils sich aber mit der Frage eines Verwertungsverbots befassen, ist der Senat in die Lage versetzt, auf die weiter erhobene Sachrüge eine (eingeschränkte) Überprüfung dahingehend vorzunehmen, ob die Urteilsfeststellungen die Schlussfolgerung des Bußgeldrichters rechtfertigen (BGH NStZ 2007, 601).
Das ist der Fall. Es liegt schon kein Beweiserhebungsverbot vor. Zwar steht die Anordnung einer Blutprobenentnahme grundsätzlich unter dem Richtervorbehalt nach § 81a Abs. 2 StPO. Jedoch kann nach dieser Vorschrift die Entnahme auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen angeordnet werden, wenn eine Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch Verzögerung besteht. Eine solche Eilkompetenz der Polizeibeamten hat nach den Feststellungen des Urteils vorgelegen. Denn der Betroffene lag mit der festgestellten BAK von 1,0 Promille im Grenzbereich zu einer bei einer BAK von 1,1 Promille beginnenden absoluten Fahruntüchtigkeit und einer daraus folgenden Strafbarkeit nach § 316 StGB. Die von den Polizeibeamten zuvor durchgeführten Atemalkoholtests hatten Ergebnisse von 1,09 und 1,07 Promille ergeben. Es kam daher auf ein möglichst tatzeitgenaues Untersuchungsergebnis an. Dieses wäre in Frage gestellt gewesen, wenn die Beamten zunächst den Beginn des richterlichen Bereitschaftsdienstes eine halbe Stunde später und eine erst dann mögliche richterliche Entscheidung abgewartet hätten. Bei dieser Sachlage waren die Beamten vielmehr berechtigt, aufgrund ihrer Eilanordnungskompetenz die sofortige Entnahme einer Blutprobe zu veranlassen (OLG Thüringen, Beschl. 1 Ss 322/09 vom 7.12.2009; vgl. auch OLG Hamm NJW 2009, 242; OLG Bamberg NJW 2009, 2146).
Fundstellen
Haufe-Index 2602542 |
NZV 2011, 6 |
NZV 2012, 355 |
BA 2011, 113 |