Leitsatz (amtlich)

1. Wird der Betroffene vom Vorwurf der Ordnungswidrigkeit, unter der Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis einen PKW im Straßenverkehr geführt zu haben, freigesprochen, weil die entnommene Blutprobe einem Verwertungsverbot unterliege, genügt es den an ein freisprechendes Urteil zu stellenden Darstellungsanforderungen, wenn im Urteil der Schuldvorwurf mitgeteilt und die Annahme des Verwertungsverbots begründet wird; Ausführungen zum Tathergang bedarf es regelmäßig nicht.

2. Dem Tatrichter ist es nicht verwehrt, die in die Hauptverhandlung einzuführenden Beweismittel von sich aus auf ihre Verwertbarkeit zu prüfen, so dass er auch ohne vorherigen Widerspruch des Betroffenen zur Annahme eines Verwertungsverbots gelangen kann.

3. Die Annahme eines Verwertungsverbots wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt nach § 81a Abs. 2 StPO ist rechtsfehlerhaft, wenn der Bußgeldrichter keine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Abwägung der widerstreitenden Interessen vorgenommen hat.

4. Ist der Polizeibeamte von einer freiwilligen Mitwirkung des Betroffenen an der Blutprobenentnahme ausgegangen, ergeben sich Anhaltspunkte für ein Verwertungsverbot, wenn der Beamte die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Einwilligung grob verkannt oder die Einwilligung gar durch bewusste Täuschung des Betroffenen über die Rechtslage herbeigeführt hat.

 

Verfahrensgang

AG Linz (Entscheidung vom 18.05.2010)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Linz am Rhein vom 18. Mai 2010 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Linz zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Mit Bußgeldbescheid vom 22. Februar 2010 warf die Kreisverwaltung dem Betroffenen vor, am 16. Dezember 2009 in Asbach unter der Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis einen PKW im Straßenverkehr geführt zu haben. Sie setzte gegen ihn eine Geldbuße von 500 Euro fest und ordnete ein einmonatiges Fahrverbot an.

Nach Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Ein Tatnachweis sei nicht zu führen. Das Ergebnis der vorgenommenen Blutprobenuntersuchung unterliege einem Verwertungsverbot, da die Probe dem Betroffenen ohne richterliche Anordnung entnommen worden sei. Soweit er darin eingewilligt habe, sei diese Erklärung wegen unzureichender Rechtsbelehrung durch den Ermittlungsbeamten unwirksam gewesen.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft. Sie beantragt Aufhebung des angefochtenen Urteils und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie beanstandet die Annahme eines Verwertungsverbots für das vorliegende, einen THC-Gehalt von 2,4 ng/ml sowie einen Hydroxy-THC- und THC-Carbonsäure-Gehalt vom 2,0 bzw. 86 ng/ml ausweisende Ergebnis der Blutprobenuntersuchung. Außerdem lasse das Urteil eine ausreichende Sachdarstellung vermissen.

II. Das nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Nicht begründet ist die Sachrüge. Der beanstandete Darlegungsmangel liegt nicht vor.

Zwar weist die Staatsanwaltschaft zutreffend darauf hin, dass der Tatrichter in den Gründen eines freisprechenden Urteils zunächst diejenigen Tatsachen bezeichnen muss, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen er die zur Verurteilung notwendigen Feststellungen nicht treffen konnte (vgl. nur BGH NStZ-RR 2010, 182 m.w.N.; OLG Koblenz, Urteile 1 Ss 205/02 vom 7.11.2002, 1 Ss 91/04 vom 16.6.2004). Diese Darstellungsanforderungen gelten gem. §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 5 StPO auch im Bußgeldverfahren (Göhler, OWiG, § 71 Rdn. 43 m.w.N.). Hier konnte jedoch ausnahmsweise davon abgesehen werden.

Die Urteilsgründe geben den im Bußgeldbescheid erhobenen Schuldvorwurf wieder und teilen mit, dass sich der Betroffene nicht zur Sache eingelassen hat. Daraus folgt ein Aufklärungsbedarf mit anderen Beweismitteln, dem nach Auffassung des Bußgeldrichters schon deswegen nicht zu genügen ist, weil aufgrund Unverwertbarkeit der entnommenen Blutprobe nicht festgestellt werden kann, dass der Angeklagte zur Tatzeit unter der Wirkung berauschender Mittel gestanden hat. Träfe diese Auffassung zu, wäre der Freispruch des Betroffenen gerechtfertigt, ohne dass es auf das Tatgeschehen im Einzelnen ankäme. Denn ohne den Nachweis einer der von der Bußgeldvorschrift erfassten Substanzen im Blut des Betroffenen (§ 24a Abs. 2 Satz 2 StVG) kann - anders als im Fall einer Alkoholisierung, in dem das positive Ergebnis einer Atemalkoholmessung als Indiz für eine vorhandene Alkoholwirkung und relative Fahruntüchtigkeit herangezogen werden kann (vgl. OLG Celle NJW 2009, 3524 m.w.N.) - eine rauschmittelbedingte Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit nicht aus den Tatumständen hergeleitet werden (vgl. OLG Koblenz, NJW 2009, 1222). Damit ist auch für die revisionsrechtliche Prüfung über...

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