Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Darstellungsanforderungen der Verfahrensrüge, ein Polizeibeamter habe eine Blutprobenentnahme nach § 81a StPO angeordnet und dabei Gefahr im Verzug zu Unrecht angenommen.
2. Beruht die Annahme von Gefahr von Verzug auf einer evident fehlerhaften Beurteilung, führt die Verletzung von § 81a Abs. 2 StPO zu einem Beweisverwertungsverbot.
Tenor
1) Die Sache wird auf den Senat übertragen.
2) Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Der Betroffene wird freigesprochen.
3) Die Kosten des Verfahrens sowie die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.
4) Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Fahrzeugs unter Wirkung berauschender Mittel zu einer Geldbuße von 250 EUR verurteilt. Zugleich hat es ein Fahrverbot von einem Monat unter Anwendung von § 25 Abs. 2a StVG festgesetzt.
Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 28. Februar 2008 um 11:50 Uhr mit einem Kraftfahrzeug öffentliche Straßen in H.. Bei einer Polizeikontrolle stellten die eingesetzten Beamten eine verlangsamte Pupillenreaktion bei Lichteinfall fest, worauf der Betroffene auf Befragen mitteilte, gelegentlich Haschisch zu konsumieren. Ein mit seinem Einverständnis durchgeführter Drogenschnelltest verlief positiv auf THC. Daraufhin ordnete der Zeuge PK K. eine Blutentnahme beim Betroffenen zur Feststellung von Drogen im Blut an. Den Versuch, eine richterliche Entscheidung zu erlangen, unternahm er nicht, da nach seiner Ansicht infolge des damit verbundenen Zeitverzuges das Untersuchungsergebnis verfälscht worden wäre. Die Blutentnahme fand um 12:10 Uhr statt. Die Untersuchung der Blutprobe ergab einen THC-Gehalt von ≫10 ng/ml Blut.
Das Amtsgericht hat das dazu erstattete Gutachten für verwertbar erachtet, weil zu Recht Gefahr im Verzuge wegen der Gefahr von Beweisverschlechterung gesehen wurde. Da der Betroffene bei genügender Überlegung hätte erkennen können und müssen, dass er unter Drogeneinfluss stehe, habe er sich eines fahrlässigen Ver-stoßes schuldig gemacht. Ausgehend von den Vorgaben im Bußgeldkatalog hat das Amtsgericht die benannten Rechtsfolgen angeordnet.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er ausschließlich die Verwertung des Ergebnisses der Blutprobenuntersuchung angreift.
II.
Die Sache ist gemäß § 80a Abs. 3 OWiG zur Entscheidung auf den Senat übertragen worden. Es war geboten, das Urteil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen. Inwieweit von Seiten der Polizei entgegen dem Richtervorbehalt des § 81a StPO angeordnete Blutprobenentnahmen ein Beweisverwertungsverbot zur Folge haben können, hat der Senat bislang nicht entschieden.
III.
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zum Freispruch des Betroffenen.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist fristgerecht und in einer den Anforderungen des § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise erhoben worden. Zwar ist dem Vorbringen in der Rechtsbeschwerde eine allgemeine Sachrüge nicht zu entnehmen, da der Betroffene sich ausschließlich gegen die vorgenommene Verwertung des Ergebnisses der Blutprobe wendet. Die insoweit erhobene Verfahrensrüge enthält indessen (gerade noch) alle erforderlichen Angaben über die den behaupteten Mangel begründenden Tatsachen. Es werden die Anordnung durch den Polizeibeamten, die daraufhin erfolgte Entnahme der Blutprobe, die Umstände, aufgrund derer der Zeuge PK K. von Gefahr im Verzuge ausging - wobei die Rechtsbeschwerde es unterlässt mitzuteilen, unter dem Einfluss welcher Droge der Betroffene gestanden haben soll, dieser Mangel sich aber nicht auswirkt, weil selbst bei schnellstmöglichem Abbau der Wirkstoffkonzentration im Blut des Betroffenen ein Verfahrensmangel festzustellen ist (s.u.) - ,der Widerspruch des Betroffenen in der Hauptverhandlung gegen die Verwertung des Ergebnisses der Untersuchung (vgl. hierzu OLG Hamburg, NJW 2008, 2597) und die Tatsachen, aus denen sich ein Verwertungsverbot ergeben soll, vorgetragen. Auch der Umstand, dass der Betroffene keine Einwilligung zu einer freiwilligen Blutentnahme erklärt hat, ist Gegenstand des Rechtsbeschwerdevorbringens.
Soweit die Generalstaatsanwaltschaft unter Verweis auf die Beschlüsse des hiesigen 2. Senats für Bußgeldsachen vom 11. Februar 2008 (322 SsBs 25/08) und 13. März 2009 (322 SsBs 26/09) einen ausdrücklichen Widerspruch des Betroffenen gegen die Blutentnahme für erforderlich hält, der Betroffene in seiner Rechtsbeschwerde aber nur vorbringe, er hätte einer freiwilligen Blutentnahme widersprochen, wenn er danach gefragt worden wäre, überspannt sie die Anforderungen an das erforderliche Vorbringen. Dass der Betroffene sich widerstandslos einer polizeilichen Anordnung gebeugt hat, ist nur das, was grundsätzlich von jedem Bürger erwartet wird und hat darüber hinaus keine...