Leitsatz (amtlich)

Auch wenn die richtige Lagerung als sog. voll beherrschbares Risiko zur Beweislast der Behandlungsseite steht, muss eine Haftung ausscheiden, wenn diese nachweist, dass sämtliche gebotenen Sicherungsmaßnahmen veranlasst wurden.

Bei der Lagerung eines Patienten in Rückenlage handelt es sich um einen standardisierten Ablauf im Operationsalltag, weshalb eine dauerhaft im Gedächtnis bleibende Erinnerung an den Lagerungsvorgang äußerst ungewöhnlich wäre und der Nachweis einer korrekten Lagerung - wie auch bei anderen Routinemaßnahmen im Klinikalltag - durch die Schilderung der zum Behandlungszeitpunkt bestehenden Übung erfolgen kann.

 

Verfahrensgang

LG Bad Kreuznach (Urteil vom 24.08.2016; Aktenzeichen 2 O 292/13)

 

Tenor

1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Bad Kreuznach vom 24.8.2016 einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Klägerin kann zu den Hinweisen des Senats bis zum 30.12.2016 Stellung nehmen. Die Rücknahme der Berufung wird empfohlen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verfolgt Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Lagerung bei einer orthopädisch-chirurgischen Operation.

Nach einer Spondylodese im Jahr 2004 wurde die Klägerin nach präoperativer Unter- suchung einschließlich radiologischer Bildgebung und entsprechender Aufklärung am 5.1.2011 in der Klinik der Beklagten in K. erneut operiert. In Bauchlage wurde zunächst der Fixateur intern entfernt und eine Reposition L5/S1 unter Montage eines neuen Fixateurs intern vorgenommen. Nach Wundverschluss erfolgte die Umlagerung auf den Rücken mit retroperitonealem Zugang auf der Wirbelsäule. Der Zugang zu L5/S1 gestaltete sich wegen erheblicher Verklebungen mühevoll. In den Etagen L4/L5 wurde jeweils ein Cage eingebracht und die Wunde anschließend nach Röntgenkontrolle wieder verschlossen.

Postoperativ litt die Klägerin an Schmerzen im Bereich des linken Oberschenkels. Zudem zeigte sich eine leichte Hüftbeugeschwäche sowie eine Zehenheberschwäche auf der linken Seite. Nach Feststellung einer Implantatfehllage erfolgte am 11.1.2011 eine dorsale Korrektur-Operation.

Nach Entlassung aus der Klinik klagte die Klägerin weiterhin über eine bestehende Fußheberschwäche links, eine Taubheit in der Schamregion sowie an der linken Oberschenkelinnenvorderseite. Eine neurologische Untersuchung im Juni 2011 ergab bezüglich des Nervus peronaeus links eine reduzierte Nervenleitgeschwindigkeit im Bereich des Fibulaköpfchens.

Die Klägerin hat zur Begründung ihres auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in einer Mindesthöhe von 10.000,00 EUR, die Erstattung von Kopiekosten hinsichtlich der angeforderten Behandlungsunterlagen von 70,05 EUR, die Feststellung der Einstandspflicht für jeden weiteren materiellen Schaden sowie die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 523,48 EUR gerichteten Begehrens vorgetragen, die Nervschädigung an der Oberschenkelinnenseite sei kein eingriffsimmanentes Risiko und daher auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen. Die Fußheberparese beruhe auf einer fehlerhaften Lagerung während des operativen Eingriffs. Es sei Druck auf das Fibulaköpfchen ausgeübt und so die Schädigung verursacht worden. Insoweit greife eine Beweislastumkehr wegen der Realisierung eines sog. voll beherrschbaren Risikos. Sie leide nunmehr unter dauerhaften Beeinträchtigungen und Schmerzen, könne keine langen Strecken mehr zu Fuß gegen und habe Schwierigkeiten beim Autofahren.

Die Beklagte hat dem entgegengehalten, von einer Nervschädigung bei dem operativen Eingriff könne nicht ausgegangen werden. Im Übrigen sei für eine fehlerfreie Lagerung Sorge getragen worden. Das an der Operation beteiligte Personal habe darauf geachtet, dass die Beine nicht außenrotiert liegen und alle druckrelevanten Stellen regelgerecht unter Verwendung von Knierollen und Fußpolstern abgesichert worden seien. Zudem sei ein Gurt gegen ein Verrutschen des Beins angelegt worden.

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der wechselseitigen Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 227 ff. GA) Bezug genommen.

Das sachverständig beratene LG hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Sensibilitätsstörung im linken Oberschenkel sei zwar von einer Schädigung des Nervus genitofemoralis im Zuge der Operation am 5.1.2011 auszugehen. Hierbei handele es sich jedoch um die Verwirklichung eines Behandlungsrisikos. Gerade bei Verwachsungen und Verklebungen aufgrund von Voroperationen, wie sie vorliegend bei der Klägerin ausweislich des Operationsberichts gegeben gewesen seien, könne es zu einer Nervschädigung kommen, ohne dass dies dem Operateur vorgeworfen werden könne. Ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen des Operateurs habe die Klägerin nicht bewiesen. Auch aus der Schädigung der Nervus peronaeus könne die Klägerin keine Schadensersatzansprüche herleiten. Es sei zwar davon auszugehen, dass die Schädigung der Nervus per...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?