Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegungs- und Beweislast beim Lagerungsschaden; Anforderungen an den Entlastungsbeweis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die sachgemäße Lagerung auf dem Operationstisch, die Beachtung der dabei zum Schutz des Patienten vor etwaigen Lagerungsschäden einzuhaltenden Regeln und die Kontrolle der Lagerung gehört zum voll beherrschbaren Risiko der Behandlungsseite, die darlegen und beweisen muss, dass eine ordnungsgemäße Lagerung stattgefunden hat, wenn ein durch die Lagerung verursachter Schaden vorliegt.

2. Zu den Anforderungen an den Nachweis ordnungsgemäßer Lagerung und ihrer Überwachung während der Operation.

 

Normenkette

BGB §§ 276, 278, 280, 611, 823; ZPO §§ 286-287

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 23.09.2009; Aktenzeichen 10 O 300/07)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das Grund- und Teilurteil des LG Koblenz vom 23.9.2009 (10 O 300/07) aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens 1. Instanz sowie die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) im Berufungsverfahren.

Die im Berufungsverfahren entstandenen Kosten der Sachverständigen trägt die Klägerin. Die verbleibenden Gerichtskosten im Berufungsverfahren fallen zu je ½ dem Beklagten zu 1) und der Klägerin zur Last.

Von den bis zur Rücknahme der Berufung durch den Beklagten zu 1) angefallenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin (im Umfang der Gebühr nach Ziff. 3201 RVG-VV) trägt der Beklagte zu 1) die Hälfte. Ihre verbleibenden außergerichtlichen Kosten tragen die Klägerin und der Beklagte zu 1) jeweils selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 244.036 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten zu 2) materiellen und immateriellen Schadensersatz aus Anlass einer ärztlichen Behandlung vom 23.3.2005 sowie die Feststellung der zukünftigen materiellen und immateriellen Schadensersatzpflicht.

Die Klägerin unterzog sich am 23.3.2005 aufgrund einer venösen Varikosis im Hause der Beklagten zu 2) einer durch den Oberarzt Dr. med. K. durchgeführten Varizenoperation, einem sog. Venenstripping. Postoperativ klagte sie bereits 1 ½ Stunden später über Gefühlsstörungen am linken Bein unterhalb des Knies bis zu den Zehen. Die Klägerin führte diese Beeinträchtigung zunächst auf eine fehlerhafte operative Behandlung, später auf eine nicht fachgerechte Lagerung im Behandlungsverlauf zurück.

Demgegenüber sieht die Beklagte zu 2) die Ursache für die Nervschädigung in einer Vorerkrankung der Klägerin, eines Bandscheibenvorfalls. Im Bereich der geschädigten Nerven seien keine Schnitte gemacht worden, so dass dies als Schadensursache ausscheide. Eine Nervenschädigung der hier vorliegenden Art sei mit einer fehlerhaften Lagerung nicht zu erklären.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben und im Wege des Teilurteils den Feststellungsantrag positiv beschieden. Auf der Grundlage der Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Privatdozent Dr. W. G. in seinem Gutachten vom 30.9.2008, dem Ergänzungsgutachten vom 16.3.2009 sowie der ergänzenden Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 8.7.2009 sei davon auszugehen, dass sich die Nervschädigung der Klägerin nur mit einem Lagerungsschaden erklären lasse. Die Frage, ob es in der Operationsvorbereitung, während der Operation oder postoperativ zu dem Lagerungsschaden gekommen sei, komme es nicht an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Grund- und Teilurteil des LG vom 23.9.2009 verwiesen).

Das Urteil wurde den Beklagten am 24.9.2009 zugestellt. Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) vom 7.10.2009. Mit Schriftsatz vom 24.11.2009 hat der Beklagte zu 1) seine Berufung zurückgenommen. Zugleich wurde die Berufung der Beklagten zu 2) begründet. Die Beklagte zu 2) macht geltend, dass der im erstinstanzlichen Verfahren bestellte Sachverständige nicht über die notwendige Sachkompetenz zur Beurteilung der Begutachtungsfragen verfügt habe. Die Lagerung der Klägerin sei sachgemäß erfolgt. Der beklagte Schaden sei als Lagerungsschaden bei Varizenoperationen unbekannt, weil physiologisch nicht erklärbar. Keinesfalls habe ohne die Einholung eines neurologischen Gutachtens entschieden werden dürfen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der als Schädigungsursache in Betracht zu ziehenden Vorbehandlung der Klägerin wegen eines Bandscheibenvorfalls. Völlig unbeachtet sei seitens des gerichtlich bestellten Gutachters und des LG geblieben, dass der Achillessehnenreflex zum Erlöschen gekommen sei. Es sei ausgeschlossen, dass dies auf eine fehlerhafte Lagerung der Klägerin zurückzuführen sei.

Die Beklagte zu 2) beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Koblenz vom 23.9.2009 (10 O 300/07) die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Be...

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