Leitsatz (amtlich)
1. Pflichtteilsrecht "schlägt" Vermächtnis (bei der Ermittlung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs, wenn testamentarisch angeordnete Vermächtnisse vorliegen).
2. Setzt die Erblasserin - unter Ausschluss ihres Abkömmlings (hier: testamentarisch jeweils hälftige Einsetzung, wobei der Abkömmling die Erbschaft im Hinblick auf den Nachlass "aushöhlende" Vermächtnisanordnungen ausgeschlagen hat) - einen testamentarischen Erben ein, ordnet sie Testamentsvollstreckung an, bestimmt sie im Testament zu Gunsten des testamentarischen Erben ein beschränktes Vorvermächtnis betreffend (den wesentlichen Wert des Nachlasses bildender) Wohnung und Hausrat und räumt sie im Wege des Vermächtnisses darüber hinaus vorrangig zugunsten des Ehegatten des testamentarischen Erben, nachrangig zu Gunsten von dessen Tochter ein lebenslanges Wohnrecht ein, kann sich rechnerisch ein negativer Nachlasswert ergeben, den sich der Abkömmling bei der Ermittlung des Werts seines Pflichtteilsanspruchs aber nicht entgegenhalten lassen muss.
3. Bewilligt der Erbe in Kenntnis der gerichtlichen Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs seinem Ehegatten und seiner Tochter die grundbuchmäßige Eintragung der testamentarisch als Vermächtnisse ausgesetzten lebenslangen Wohnungsrechte, kann er sich gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten - zumindest nach Treu und Glauben - nicht darauf berufen, dass die Wohnung weder freihändig veräußerbar noch bankmäßig belastbar sei, so dass ihr bei der Ermittlung des Pflichtteilanspruchs kein Wert (mehr) beizumessen sei.
4. Bewilligt der als Testamentsvollstrecker bestellte Rechtsanwalt, der gleichzeitig Prozessbevollmächtigter des Erben ist, die grundbuchmäßige Eintragung der Wohnungsrechte, liegt in der Person des Rechtsanwalts eine funktionsunabhängige Kenntnis von der erhobenen Klage vor, die sich der Erbe zurechnen lassen muss.
Verfahrensgang
LG Konstanz (Aktenzeichen 3 O 400/18) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 19.12.2019, Az. 3 O 400/18, wird zurückgewiesen.
2. Aufgrund der mit - als erteilt geltender - Zustimmung der Beklagten erfolgten teilweisen Klagerücknahme ist das unter Ziff. 1 genannte Urteil in Höhe eines Teilbetrages von 4.500 EUR nebst anteiliger Zinsen seit dem 24.10.2018 wirkungslos geworden.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
4. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Landgerichts Koblenz und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die gegen sie gerichtete Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 162.929,61 EUR festgesetzt.
Gründe
Mit ihrer Klage macht die Klägerin Pflichtteilsansprüche gegen die Beklagte geltend. Die Parteien streiten in erster Linie darüber, ob ein in § 7 der testamentarischen Verfügung der Erblasserin zugunsten der Beklagten und deren Ehemann, Herrn M. B., im Wege des Vorvermächtnisses eingeräumtes lebenslanges Wohnungsrecht bei der Berechnung des der Klägerin zu- stehenden Pflichtteils (§§ 2303, 2306 BGB) in Abzug zu bringen ist oder nicht.
Hinsichtlich der weitergehenden Darstellung des Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Koblenz vom 19.12.2019 Bezug genommen.
Durch diese Entscheidung hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 162.929,61 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 125.000,00 EUR seit dem 03.10.2018 und aus 37.929,61 EUR seit dem 24.10.2018 zu zahlen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Koblenz vom 19.12.2019 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Senat hat mit Hinweisbeschluss vom 20.05.2020 die Parteien darauf hingewiesen, dass der Berufung allenfalls in Höhe eines Teilbetrages von 4.500 EUR Erfolgsaussichten beizumessen seien und im Falle einer Klagerücknahme in Höhe dieses Teilbetrages ein Vorgehen nach § 522 Abs. 2 ZPO in Betracht komme. Mit Schriftsatz vom 08.06.2020 hat die Klägerin daraufhin die Klage in Höhe des genannten Teilbetrages zurückgenommen. Die teilweise Klagerücknahme ist der Beklagten mit dem Hinweis gemäß § 269 Abs. 2 S. 4 ZPO am 09.06.2020 zugestellt worden, ohne dass diese widersprochen hat.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 19.12.2019, Az. 3 O 400/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Re...