Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehegattenunterhalt: Verweisung des Unterhaltspflichtigen auf den notwendigen Selbstbehalt aus Billigkeitsgründen
Leitsatz (redaktionell)
Die Billigkeitsabwägung im Rahmen des § 1581 BGB kann dazu führen, dass dem Unterhaltspflichtigen nur der notwendige Selbstbehalt verbleibt, wenn dies den ehelichen Lebensverhältnissen entspricht.
Normenkette
BGB § 1578 Abs. 1 S. 1, § 1581
Verfahrensgang
AG Andernach (Beschluss vom 20.11.2006; Aktenzeichen 7 F 448/06) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des AG - FamG - Andernach vom 20.11.2006 wird zurückgewiesen.
Gründe
Es wird zunächst auf den ausführlich begründeten Beschluss des AG vom 20.11.2006 und auf den Nichtabhilfebeschluss vom 12.12.2006 Bezug genommen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass sich aus dem Urteil des BGH, FamRZ 2006, 683 ff. eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinsichtlich des Selbstbehalts gegenüber einem Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt ableiten lasse, die im hier zu entscheidenden Fall zu einer Abänderung des Urteils des AG - FamG - Andernach vom 20.1.1998 - 7 F 182/97 - führen müsse. Diese Auffassung ist nicht zutreffend.
Zwar ist es richtig, dass eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung einen Abänderungsgrund i.S.d. § 323 I BGB darstellen kann (vgl. BGH, FamRZ 2003, 848 ff., 851). Jedenfalls im vorliegenden Fall rechtfertigt jedoch die Entscheidung des BGH (BGH v. 15.3.2006 - XII ZR 30/04, BGHReport 2006, 781 m. Anm. Luthin = MDR 2006, 1235 = FamRZ 2006, 683 ff.) eine Abänderung des Urteils des AG - FamG - Andernach vom 20.1.1998 nicht. Zum Zeitpunkt der Verkündung dieses Urteils haben beide Parteien bereits eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen, der Kläger i.H.v. 1.574,34 DM und die Beklagte i.H.v. 1.107,38 DM. Die Hälfte der Differenz betrug rund 233 DM. Das AG Andernach hat in seinem Urteil vom 20.1.1998 den Vergleich vom 13.2.1990 - 7 F 43/89 AG Andernach - dahingehend abgeändert, dass der Kläger an die Beklagte ab 1.7.1997 einen Unterhalt von 233 DM zu zahlen hat. Dass es für die Zeit vom 1.10.1996 bis zum 30.6.1997 den Unterhalt mit 221 DM bemessen hat, ist hier nicht von Bedeutung.
Das AG Andernach hat festgestellt, dass der damals geltende notwendige Selbstbehalt i.H.v. 1.300 DM (Düsseldorfer Tabelle, Stand: Januar 1996) nicht unterschritten wird. Soweit es in dem nachfolgenden Absatz ausführt, dass für eine Erhöhung des Mindestselbstbehalts von 1.300 DM auf 1.650 DM kein Raum sei, sondern nur eine geringfügige Erhöhung auf 1.341,34 DM in Betracht komme, ist dies missverständlich. Der Betrag von 1.341,34 DM stellt die Differenz zwischen den damaligen Renteneinkünften des Klägers von 1.574,34 DM und dem zu zahlenden Unterhalt von 233 DM dar. Das AG hat auch keinerlei Ausführungen dazu gemacht, aufgrund welcher Billigkeitsüberlegungen eine Erhöhung des Selbstbehalts gerechtfertigt wäre. Vielmehr beruht das Urteil auf dem in dieser Sache ergangenen Beschluss des OLG Koblenz vom 12.11.1997 - 13 WF 885/97 - (S. 71 ff. der Akten 7 F 182/97 AG Andernach), der in dem Urteil vom 20.1.1998 wörtlich zitiert wird und in dem Ausführungen zu einer Erhöhung des Selbstbehalts nicht erfolgt sind. Das OLG Koblenz ist in seinem Beschluss jedoch offenkundig davon ausgegangen, dass angesichts der ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien es nicht gerechtfertigt wäre, dem Kläger den angemessenen Selbstbehalt zu belassen, den der Kläger selbst unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Koblenz, FamRZ 1997, 426 mit 1.650 DM beziffert hat.
Der BGH hat in seiner Entscheidung FamRZ 2006, 683 ff. ausgeführt, dass der Selbstbehalt gegenüber einem Anspruch auf Trennungsunterhalt oder nachehelichen Ehegattenunterhalt in der Regel mit einem Betrag zu bemessen ist, der zwischen dem angemessenen Selbstbehalt und dem notwendigen Selbstbehalt liegt. In den Gründen hat er ausgeführt, dass es geboten sei, den Selbstbehalt ggü. dem Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten nach § 1581 BGB mit einem Betrag zu bemessen, der nicht unter dem notwendigen (§ 1603 II BGB), aber auch nicht über dem angemessenen (§ 1603 I BGB) Selbstbehalt liegt. Es sei auch nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter für diesen Ehegattenselbstbehalt im Regelfall von einem etwa in der Mitte zwischen diesen Beträgen liegenden Betrag ausgehe. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass im Einzelfall auch von diesem Mittelbetrag nach unten oder oben abgewichen werden kann, wenn es die Billigkeitsabwägung gem. § 1581 BGB gebietet. Hiervon ist im vorliegenden Fall auszugehen.
Die sich nach der Scheidung fortentwickelnden ehelichen Lebensverhältnisse (vgl. hierzu BGH, a.a.O., S. 685) waren zum Zeitpunkt der Verkündung des Urteils des AG Andernach vom 20.1.1998 bereits durch den beiderseitigen Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente geprägt. Das Einkommen der unterhaltsberechtigten Beklagten lag nicht unerheblich unter dem notwendigen Selbstbehalt eines Unterhaltsverpflichteten, während das Einkommen des Klägers nic...