Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 29.10.1992; Aktenzeichen 16 O 229/92)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 29. Oktober 1992 aufgehoben, soweit der Antragstellerin die Prozeßkostenhilfe für den Hilfsantrag der beabsichtigten Klage (Zahlung von 100.000,00 DM nebst Zinsen) verweigert worden ist.

Insoweit wird die Sache zur anderweiten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

II. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin ist das einzige Kind des E. P. und seiner ersten Ehefrau E. T., die 1975 verstarb. Deren Nachlaß umfaßte je einen halben Miteigentumsanteil an einem Grundstück in C. sowie an einem weiteren Grundstück in T. Die Antragstellerin und ihr Vater erbten diesen Nachlaß je zur Hälfte, so daß der Antragstellerin – rechnerisch – ein Viertel des Wertes der Grundstücke zustand.

Im Jahr 1976 verkauften die Antragstellerin und ihr Vater das Grundstück in T. zum Preis von 22.464,00 DM. Davon erhielt die Antragstellerin 5.000,00 DM. Im übrigen blieb der Nachlaß der Mutter ungeteilt.

Im Jahr 1979 benötigte die Antragstellerin Geld für den Kauf eines Hauses, das sie für ihre Familie erwerben wollte. Sie schloß mit ihrem Vater, der inzwischen die Antragsgegnerin geheiratet hatte, am 26. Juli 1979 zwei notarielle Verträge, nämlich einen „Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag” (UR. Nr. 2…/79 Notar E. in B. M.) und einen „Erbauseinandersetzungsvertrag” (UR. Nr. 2…/79 Notar E). In dem „Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag” heißt es:

„Herr E. P. hat für die Ausbildung seiner Tochter I. erhebliche finanzielle Aufwendungen gemacht. Ferner erhält die Tochter aus einem heute abgeschlossenen Erbauseinandersetzungsvertrag bis zum 1. September 1979 einen Betrag von DM 80.000.00. Außerdem hat die Tochter I. bereits Vorempfänge aus einem früheren Grundstücksvertrag erhalten. In Würdigung dieses Umstandes verzichtet Frau I. S. geborene P. hiermit auf ihren gesetzlichen Erb- und Pflichtteil für sich und ihre Abkömmlinge.

Herr E. P. nimmt die vorstehende Verzichtserklärung an.

Den Wert des gesetzlichen Erbteils geben die Erschienenen mit DM 100.000,00 an.”

In dem in Bezug genommenen „Erbauseinandersetzungsvertrag” hatte die Antragstellerin ihrem Vater gegen Zahlung von 80.000,00 DM ihren Anteil an dem Grundstück in C. übertragen, so daß der Vater Alleineigentümer wurde.

Die Antragstellerin focht den „Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag” – nach dem Tode ihres Vaters am 27. April 1992 – mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 14. Mai 1992 aus allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten an. Sie verlangt von der Antragsgegnerin, ihrer Stiefmutter, den gesetzlichen Erbteil am Nachlaß ihres Vaters.

Die Antragstellerin macht geltend, der „Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag” vom 26. Juli 1979 beziehe sich nur auf den Nachlaß ihrer Mutter, nicht auf den ihres Vaters. Sofern sie darin aber doch auf das gesetzliche Erbrecht und den Pflichtteil am Nachlaß des Vaters verzichtet haben sollte, sei der Vertrag aufgrund der vorsorglich erklärten Anfechtung nichtig. Sie habe angenommen, daß sie für den erklärten Verzicht aus dem Vermögen ihres Vaters abgefunden werde. Tatsächlich habe sie als „Gegenleistung” des Vaters nur ihren Anteil am Nachlaß ihrer Mutter erhalten. Sie sei in sittenwidriger Weise übervorteilt worden.

Die Antragstellerin beabsichtigt, Klage gegen die Antragsgegnerin zu erheben mit dem Antrag festzustellen, daß der Erbverzicht vom 26. Juli 1979 nichtig ist. Hilfsweise ist die Klage darauf gerichtet, die Antragsgegnerin zu verurteilen, an die Antragstellerin 100.000,00 DM, den angeblichen Wert ihres gesetzlichen Erbteils, zu zahlen. Die Antragstellerin begehrt für diese Klage Prozeßkostenhilfe.

Die Antragsgegnerin ist dem Prozeßkostenhilfegesuch entgegen getreten. Sie bringt vor, die Antragstellerin habe auf den gesetzlichen Erb- und den Pflichtteil am Nachlaß ihres Vaters wirksam verzichtet.

Das Landgericht hat der Antragstellerin die Prozeßkostenhilfe mit Beschluß vom 29. Oktober 1992 verweigert. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde der Antragsteller in ist teilweise begründet. Es ist nicht zu beanstanden, daß das Landgericht die Prozeßkostenhilfe für den Hauptantrag der beabsichtigten Klage versagt hat; zu Unrecht hat das Landgericht aber die Erfolgsaussicht auch für den angekündigten Hilfsantrag verneint.

1. Dem Landgericht ist darin zu folgen, daß die Antragstellerin in dem „Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag” vom 26. Juli 1979 den Verzicht auf den gesetzlichen Erb- und Pflichtteil am Nachlaß ihres Vaters erklärte. Die Überschrift les – notariell beurkundeten – Vertrages lautet „Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag”. Dies legt nahe, daß zwischen der Antragstellerin und ihrem Vater ein Erbverzicht gemäß § 2346 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbart wurde. Die Antragstellerin wird als „d...

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