Leitsatz (amtlich)

1. Bei Gebäudereinigungsleistungen ist die Glasreinigung ein eigenständiges Fachlos, das grundsätzlich gesondert vergeben werden muss.

2. Eine Teillosvergabe macht eine mögliche Fachlosvergabe nicht entbehrlich.

3. Zweckmäßigkeitserwägungen können ein Absehen von einer Losvergabe nicht rechtfertigen.

4. Nachteile, die üblicherweise mit einer Losvergabe verbunden sind, muss der Auftraggeber nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich hinnehmen.

5. Ist es wegen zahlreicher Unwägbarkeiten (nahezu) unmöglich, eine tatsachengestützte, halbwegs plausible Prognose über mögliche Zusatzkosten einer Losvergabe zu erstellen, gilt der gesetzliche Regelfall.

 

Verfahrensgang

2. Vergabekammer Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 23.11.2011; Aktenzeichen 1VK 2-34/11)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Auftraggebers gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 23.11.2011 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass Ziff. 1 des Tenors wie folgt neu gefasst wird:

Dem Auftraggeber wird untersagt, auf der Grundlage seiner am 15.7.2011 unter 2011/S 134-222948 bekannt gemachten Ausschreibung den Zuschlag zu erteilen. Für den Fall fortbestehender Vergabeabsicht hat er unter Berücksichtigung der Rechtsaufassung des Senats neu über die Losaufteilung zu entscheiden.

2. Der Auftraggeber trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Antragstellerin.

3. Der Beschwerdewert wird auf 14.250 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.1. Gegenstand des Vergabeverfahrens sind Gebäudereinigungsleistungen an 26 Schulen und dem Verwaltungsgebäude des Landkreises N. Die Gesamtleistung, die Grundreinigung (ca. 101 000 m2), Unterhaltsreinigung (ca. 140 000 m2) und Glasreinigung (ca. 39 000 m2) umfasst, ist in 5 Gebietslose aufgeteilt. Der Vertrag soll eine Laufzeit von 3 Jahren haben, optional ist eine Verlängerung um bis zu 2 Jahren vorgesehen.

Die Bekanntmachung in "TED" erfolgte am 15.7.2011, die Angebotsfrist endete am 25.8.2011.

Die Gebietslose sind wie folgt geschnitten:

Los 1: Dienstgebäude der Kreisverwaltung (in) N. (Anteil Glasreinigung: ca. 2.000 m2)

Los 2 ("Nordlos"): Schulen in A., Ne. und U. (Anteil Glasreinigung: ca. 6.000 m2)

Los 3 ("Rheinschiene"): Schulen in L. und Rh. (Anteil Glasreinigung: ca. 5.600 m2)

Los 4 ("Nordostlos"): Schulen in R., P., D. und W. (Anteil Glasreinigung: ca. 5.000 m2)

Los 5: Schulen in N. (Anteil Glasreinigung: ca. 20.000 m2).

Die geschätzten Auftragswerte der Gebietslose bewegen sich zwischen 100.000 EUR und 560.000 EUR pro Jahr. Mit der heterogenen Aufteilung soll Unterschieden in Größe und Leistungsfähigkeit der als Auftragnehmer in Betracht kommenden Branchenunternehmen Rechnung getragen werden. Eine Loslimitierung ist nicht vorgesehen.

Zu einer möglichen anderen Aufteilung heißt es im Vergabevermerk:

"Die Bildung eines Loses "Glasreinigung" erscheint nicht mittelstandsfreundlich, da die Größe des Loses kleine Firmen benachteiligen würde. Die Glasreinigung muss nämlich in allen Gebäuden zur gleichen Zeit (Oster- bzw. Herbstferien) erfolgen. Hingegen erscheint eine Aufteilung in mehrere Glasreinigungslose unwirtschaftlich.

Auch im Hinblick auf Streitigkeiten zwischen den einzelnen Reinigungsarten verspricht eine gemeinsame Ausschreibung ... Erleichterungen ... Die Erfahrung zeigt, dass Hausmeister nach erfolgter Glasreinigung immer wieder mit Problemen wie Nachreinigung durch Schmutzwasserreste zu kämpfen hatten, bei denen sich weder die Unterhaltungsreinigungsfirma noch die Glasreinigungsfirma zuständig fühlten ..."

Die Reinigungsintervalle für die Unterhaltsreinigung richten sich nach Raumgruppen und einzelnen Reinigungsleistungen; die Spanne reicht vom täglichen Ausleeren von Abfallbehältern in Lehrerzimmern und Klassenräumen bis zum Pflegen der Edelstahlelemente in Aufzügen im 2-Monats-Rhythmus. Die Grundreinigung (Intensivreinigung) soll einmal jährlich erfolgen. Die Glasreinigung umfasst einmal jährlich die reinen Glasflächen und einmal jährlich auch die Rahmen sowie die Fensterbänke u.Ä.

Den Gesamtwert der Glasreinigungsarbeiten hatte der Auftraggeber auf ca. 57.000 EUR pro Jahr geschätzt (die Antragstellerin geht von 90.000 EUR aus), während sie für die übrigen Arbeiten jährliche Kosten von 775.000 EUR angesetzt hatte.

Während bei der Grundreinigung für die Schulen vorgegeben ist, dass diese in den Ferien erfolgen soll, heißt es in den Vergabeunterlagen zu der Glasreinigung lediglich:

"Mindestens zwei Tage vor dem Beginn der Glasreinigung ist mit den jeweiligen Ansprechpartnern abzuklären, wann und wo gereinigt wird ... Die Glasreinigung soll schnellstmöglich an aufeinanderfolgenden Tagen ausgeführt werden und nicht länger als einen Arbeitstag pro angefangene 500 m2 Glasfläche dauern ..."

2. Die Antragstellerin (Beschwerdegegnerin) ist ein Unternehmen, das grundsätzlich Gebäudereinigungsdienstleistungen aller Art anbietet.

Mit Schreiben vom 19.8.2011 teilte sie dem Auftraggeber mit, sie habe sich wegen des weiten Leistungsspektrums an der ihr seit dem 29.6.2011 bekann...

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