Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustellung einer Klageerweiterung; Umfang des Kostenerstattungsanspruchs bei Fallenlassen nicht rechtshängiger Ansprüche; Reichweite einer gerichtlichen Streitwertfestsetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Die formlose gerichtliche Übermittlung einer ohne Gebührenvorschuss eingereichten Klageerweiterung kann auch dann nicht als förmliche Zustellung gedeutet werden, wenn dem Gegner eine Frist zur Stellungnahme gesetzt wird.
2. Teilt der Kläger später mit, die angekündigte Klageerweiterung werde nicht weiter verfolgt, fehlt es insoweit an einem Prozessrechtsverhältnis. Eine analoge Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO kommt nicht in Betracht.
3. Mangels Prozessrechtsverhältnis scheidet ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich der angekündigten Klageerweiterung auch dann aus, wenn das Prozessgericht sie zum Anlass genommen hat, einen höheren Streitwert festzusetzen.
Normenkette
ZPO §§ 91, 104, 129, 253, 269-271; GKG § 63 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Trier (Beschluss vom 24.01.2006; Aktenzeichen 5 O 301/04) |
Tenor
Die Beklagte zu 1) hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens (Wert: 15.450 EUR) zu tragen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Rechtspfleger hat zu Recht hinsichtlich der Berechnung der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) nur die rechtshängig gewordenen Ansprüche zugrunde gelegt. Auf die Begründung im angefochtenen Beschluss wird vorab Bezug genommen.
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
1. Mit Schriftsatz vom 8.3.2005 hat der Kläger die Klageanträge neu gefasst und die beanspruchte Klagesumme nicht unerheblich erhöht (S. 47). Mit gerichtlicher Verfügung vom 10.3.2005 ist angeordnet:
"Durchschr. Bl. 212 ff. an übrige PV zur eventuellen Stellungnahme bis zum 11.4.2005".
Dieser Schriftsatz ist den Parteivertretern formlos zugegangen. Hinsichtlich der Klageerweiterung erfolgte zur Kostenberechnung eine neue Wertfestsetzung und der Hinweis, die Klageerweiterung sei formlos zugeleitet worden; eine Zustellung erfolge nur nach Zahlung des angeforderten Vorschusses. Mit Schriftsatz vom 19.5.2005 teilte der Klägervertreter mit, im Hinblick auf die Hinweise der Kammer zu ihrer nicht gegebenen internationalen Zuständigkeit betr. die Beklagte zu 1) werde die Klageerweiterung nicht durchgeführt und insoweit zurückgenommen. Über die erweiterte Klage ist nicht verhandelt und entschieden worden.
Die Kammer setzte den Streitwert für die Klageerweiterung auf 6.141.146 EUR fest und verwies darauf, dass insoweit kein Prozessrechtsverhältnis entstanden sei (Beschluss vom 15.7.2005). Mit Beschluss vom 23.8.2005 wurde der Streitwert hinsichtlich des Beklagten zu 1) "nach der Klageerweiterung" mit dem vollen Wert angesetzt (7.141.146, 70 EUR). Die gegen die Entscheidung vom 15.7.2005 gerichtete Streitwertbeschwerde hat der Kläger mit Schriftsatz vom 30.9.2005 "für erledigt erklärt", wonach keine Beschwerdeentscheidung durch das OLG mehr erging (Bl. 505 GA).
Mit Beschluss vom 2.1.2006 sind die von dem Kläger an die Beklagte zu 1) zu erstattenden Kosten auf 30.462 EUR festgesetzt worden. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hat der Rechtspfleger im nunmehr angefochtenen Beschluss nur einen Wert von 2.000.000 EUR zugrunde gelegt und die zu erstattenden Kosten auf 15.012 EUR herabgesetzt.
2. Die sofortige Beschwerde ist aus keinem der von der Beklagten zu 1) angeführten Gründe gerechtfertigt.
a) Es fehlt schon an der erforderlichen Kostengrundentscheidung, denn ausweislich des Urteils vom 22.6.2005 ist über die erhöhte Klage nicht verhandelt und entschieden worden, so dass schon aus diesem vorgelagerten Grund die sofortige Beschwerde keinen Erfolg haben kann.
b) Unabhängig davon, dass auch keine Kostengrundentscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO vorliegt, verfängt die Argumentation zu § 269 Abs. 3 S 3 ZPO nicht.
Die Bestimmung setzt eine Erledigung vor Einreichung der Klage oder vor deren Zustellung voraus (Zöller/Greger, ZPO, 25 Aufl., § 269 Rz. 18d/18 e; BGH v. 18.11.2003 - VIII ZB 72/03, MDR 2004, 525 m. Anm. Deckenbrock/Dötsch = BGHReport 2004, 562 = NJW 2004, 1530). Ein solches erledigendes Ereignis - etwa Zahlung der Klageforderung - liegt hier nicht vor. Es kann nicht darin gesehen werden, dass der Kläger von der Verfolgung des höheren Anspruchs Abstand genommen hat, weil ihm die Erfolgsaussichten zu ungewiss erschienen.
c) Der Rechtspfleger hat zu Recht darauf abgestellt, dass der mit der Klageerweiterung geltend gemachte höhere Anspruch nur dann für die Gebührenbemessung bestimmend sein kann, wenn er rechtshängig geworden ist.
Es bedarf keiner Ausführungen dazu, welche Bedeutung der Streitwertfestsetzung vom 23.8.2005 zukommt, denn wenn die Kammer der Meinung gewesen sein sollte, der höhere Wert bestimme die Kostenforderung des Beklagten zu 1) kommt dem für das Festsetzungsverfahren in der Beschwerdeinstanz keine Bindung zu. Das bedarf keiner weiteren Darlegung (§ 63 Abs. 3 S. 1 GKG; BGH MDR 1989, 899).
Der bestimmende Schriftsatz (§§ ...