Leitsatz (amtlich)
Bei der Prüfung des Vorliegens eines echten Entscheidungskonfliktes ist nicht maßgebend, wie sich der Patient bei Kenntnis der tatsächlich eingetretenen gesundheitlichen Entwicklung verhalten hätte. Allein entscheidend ist vielmehr, ob er, wären ihm rechtzeitig die Risiken der Behandlung verdeutlicht worden, vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte.
Verfahrensgang
LG Mainz (Aktenzeichen 2 O 447/15) |
Tenor
1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 14. September 2017 einstimmig zurückzuweisen.
2. Der Kläger kann zu den Hinweisen des Senats bis zum 5. März 2018 Stellung nehmen. Die Rücknahme der Berufung wird empfohlen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt materiellen und immateriellen Schadensersatz im Zusammenhang mit der operativen Versorgung einer Sehnenscheidenentzündung.
Der Kläger suchte aufgrund von Beschwerden im Handgelenk am 6. März 2014 die Gemeinschaftspraxis der Beklagten zu 2) und 3), die Beklagte zu 1), auf und wurde dort vom Beklagten zu 3) behandelt. Dieser stellte eine deutliche Schwellung des Handgelenks sowie einen Druckschmerz mit Punctum maximum über der Loge de Quervain fest. Er schloss mittels Röntgenuntersuchung eine knöcherne Verletzung aus und diagnostizierte mangels Unfallereignis eine Tendovaginitis stenosans de Quervain (Sehnenscheidenentzündung). Zur Ruhigstellung legte der Beklagte zu 3) eine Unterarmcastschiene mit Daumeneinschluss an. Am 13. März 2014 wurde diese bei erneuter Vorstellung des Klägers neu fixiert und am 17. März 2014 durch den Beklagten zu 2) durch einen Salbenverband ersetzt. Zu einer Besserung war es bis zu diesem Zeitpunkt nicht gekommen. Am 24. März 2014 nahm der Beklagte zu 2) daraufhin unter Regionalanästhesie eine operative Behandlung der Tendovaginitis stenosans de Quervain vor.
In der Folgezeit ließ sich der Kläger durch andere Ärzte behandeln und es kam zu weiteren operativen Eingriffen am Handgelenk.
Der Kläger hat erstinstanzlich zur Begründung seines auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 24.500 EUR, materiellen Schadensersatz in Höhe von 15.473,10 EUR, die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten als Gesamtschuldner für weitere materielle und immaterielle Schäden sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten neben diversen Behandlungsfehlervorwürfen angeführt, er sei über den Eingriff nicht aufgeklärt worden. Es habe kein Arzt-Patienten-Gespräch gegeben. Die Beklagten haben dem entgegengehalten, bereits am 17. März 2014 sei über etwaige Komplikationen der Operation mit dem Kläger gesprochen worden. Zudem habe er einen entsprechenden Aufklärungsbogen erhalten. Insgesamt sei er über die geplante Vorgehensweise sowie die Risiken des Eingriffs - insbesondere die Schädigung von Gefühlsnerven sowie eine unerwünschte Narbenbildung - in Kenntnis gesetzt worden. Aufgrund der persistierenden, konventionell nicht therapierbaren Beschwerden habe der Kläger sich für den Eingriff entschieden. Zumindest sei vom Vorliegen einer hypothetischen Einwilligung auszugehen.
Hinsichtlich des Weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlich von den Parteien gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 334 ff. GA) verwiesen.
Das sachverständig beratende Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der in der Berufungsinstanz allein gegenständlichen Aufklärungsrüge hat das Landgericht zwar mangels Erörterung des Risikos weiterer Nachoperationen eine nicht ordnungsgemäße Aufklärung angenommen, jedoch die Voraussetzungen für eine hypothetische Einwilligung des Klägers festgestellt. Mit Ausnahme des Nachoperationsrisikos sei der Kläger über die geplante Vorgehensweise und die möglichen Komplikationen der Therapie ausreichend aufgeklärt worden. Dies ergebe sich aus dem Ergebnis der Anhörung des Beklagten zu 2). Es sei aber davon auszugehen, dass der Kläger auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung hinsichtlich des Nachoperationsrisikos in die Durchführung des Eingriffs eingewilligt hätte. Das Fehlen eines Entscheidungskonflikts zeige sich insbesondere daran, dass der Kläger weitere Operationen habe durchführen lassen, die überwiegend andere Bereiche der rechten Handsehnen betroffen hätten. Zudem sei die konventionelle Therapie erfolglos verlaufen und die Beschwerden seien so erheblich gewesen, dass der Kläger wöchentlich die Praxis der Beklagten aufgesucht habe. In seiner mündlichen Anhörung habe er die Operation auch als "Hoffnungsschimmer" bezeichnet. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass allein die Möglichkeit von Revisionseingriffen Einfluss auf die Entscheidungsfindung des Klägers genommen hätte. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 338 ff. GA) Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich der Kläger unter Weiterverfolgung seiner erstinstanzlichen Anträge mit der Berufung. Die Feststellungen des Landgerichts zum Vorlieg...