Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung eines Pflichtteilsanspruchs unter Berücksichtigung von Fehlvorstellungen
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 27.10.2003; Aktenzeichen 5 O 446/03) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Koblenz - Einzelrichterin - vom 27.10.2003 wird zurückgewiesen.
Gründe
A. Der Antragsteller beabsichtigt, im Wege der am 4.8.2003 eingegangenen Stufenklage nach dem Tod seiner Mutter am 30.8.1998 einen Pflichtteilsanspruch gegen seinen Vater durchzusetzen. Die Erblasserin hatte am 4./5.1.1995 ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament mit dem Beklagten errichtet, wonach der überlebende Ehepartner den zuerst Sterbenden beerben soll. Der Antragsteller verzichtete ebenso wie seine beiden Geschwister durch privatschriftlichen Zusatz zu dem Testament auf seine Pflichtteilsansprüche nach dem erstverstorbenen Elternteil.
Nach dem Tod der Mutter am 30.8.1998, von dem der Antragsteller noch am selben Tag erfuhr, erhielt er mit Zugang eines Schreibens des Nachlassgerichts vom 9.9.1998 Kenntnis vom Inhalt des Testaments.
Die Parteien streiten darüber, ob Pflichtteilsansprüche des Antragstellers verjährt sind, worauf der Beklagte sich beruft.
Der Antragsteller hat vorgetragen, erst Mitte Mai 2003 habe er erfahren, dass der Pflichtteilsverzicht gem. § 2348 BGB formunwirksam ist. Damit seien die von der Rechtsprechung zu § 2332 BGB entwickelten Grundsätze anwendbar, wonach bei einem Rechtsirrtum die Kenntnis, die die Verjährung in Gang setzt, fehlen kann. Zwar habe er sich nicht im Rechtsirrtum über eine beeinträchtigende Verfügung befunden, doch habe die Erblasserin gemeinsam mit dem Beklagten den formunwirksamen Pflichtteilsverzicht des Klägers herbeigeführt, wie sich bereits aus der Aufnahme in einer Ergänzung zu dem gemeinschaftlichen Testament der Erblasserin mit den Beklagten ergebe.
Der Antragsgegner hat die Einrede der Verjährung erhoben und betont, für den Verjährungsbeginn komme es nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem der Antragsteller von der Formunwirksamkeit des Pflichtteilsverzichts erfahren habe, weil jede erkannte Beeinträchtigung hinreichenden Anlass für ein die Verjährung hemmendes Handeln gebe.
Das LG hat mit Beschluss vom 27.10.2003 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Mit der Kenntnis vom Ableben der Mutter und von dem ihn als Erben zunächst ausschließenden privatschriftlichen Testament der Eltern sei die dreijährige Verjährungsfrist in Gang gesetzt worden, so dass diese bei Einreichung der beabsichtigten Klage längst abgelaufen gewesen sei. Sofern der Antragsteller zeitweilig dem Irrtum unterlegen sei, auf vermeintliche Pflichtteilsansprüche wirksam verzichtet zu haben, was wegen Formunwirksamkeit der Verzichtserklärung tatsächlich nicht so gewesen sei, könne hieraus für ihn keine günstigere Rechtsposition hergeleitet werden. Die von ihm herangezogene Rechtsprechung betreffe den Irrtum hinsichtlich der enterbenden Verfügung, der hier nicht vorliege.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde, mit der er betont, aus der Rechtsprechung zu Irrtümern bzgl. der beeinträchtigen Verfügung ergebe sich, dass Kenntnis i.S.v. § 2332 BGB immer dann nicht vorliege, wenn der Berechtigte hinsichtlich der Wirksamkeit der ihn beeinträchtigenden Verfügung irre.
Der Beklagte hält diese Rechtsauffassung für unzutreffend; im Übrigen hat er in der Beschwerdeentgegnung bestritten, dass der Antragsteller von der Unwirksamkeit des Pflichtteilsverzichts erst im Jahr 2003 erfahren habe.
B. Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO statthaft, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde hat keinen Erfolg. Das LG hat richtig entschieden.
Mit Erfolg beruft der Beklagte sich auf die Einrede der dreijährigen Verjährung nach § 2332 BGB, die bei Einreichung der Klageschrift verstrichen war. Nach dieser Vorschrift verjährt der Pflichtteilsanspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt. Dies war mit Zugang des Schreibens des Nachlassgerichts vom 9.9.1998 der Fall.
Kenntnis im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, dass der Pflichtteilsberechtigte seinen Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge durch die letztwillige Verfügung erkannt hat. Es entspricht herrschender Auffassung, die auch der Senat vertritt, dass ein Irrtum des Pflichtteilsberechtigten in diesem Zusammenhang zum Tragen kommen kann; dies gilt jedenfalls dann, wenn er nach seiner Auslegung der letztwilligen Verfügung sein gesetzliches Erbrecht nicht beeinträchtigt sieht oder wenn er über deren Wirksamkeit irrt, jedenfalls wenn diese Auslegung oder die Bedenken nicht von vorneherein von der Hand zu weisen sind (vgl. BGH v. 6.10.1999 - IV ZR 262/98, MDR 2000, 86 = NJW 2000, 288 f.; v. 25.1.1995 - IV ZR 134/94, MDR 1995, 719 = NJW 1995, 1157 ...