Leitsatz (amtlich)
1. Die Einrichtung einer gemeinsamen elterlichen Sorge scheidet aus, wenn es den Kindeseltern trotz vorhandenem Mindestmaß an Übereinstimmung in den wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und zu den wesentlichen Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind sowie bestehender objektiven Kooperationsfähigkeit fehlt.
2. Mangelt es an einer tragfähigen sozialen Beziehung zwischen den Eltern und liegt auf deren Kommunikationsebene eine schwerwiegende und nachhaltige Störung vor, kommt die Einrichtung einer gemeinsamen elterlichen Sorge grundsätzlich auf nicht mit der Begründung in Betracht, dass Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind kurz- oder mittelfristig nicht zu regeln sind. Die Gefahr einer erheblichen Belastung des Kindes kann sich dann aus der Nahhaltigkeit und der Schwere des Elternkonflikts und der damit einhergehenden - zukünftigen - Belastung für das Kind ergeben.
Normenkette
BGB § 1626a Abs. 2
Verfahrensgang
AG Koblenz (Beschluss vom 28.11.2016; Aktenzeichen 201 F 272/16) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Koblenz vom 28.11.2016 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das vorliegende Verfahren betrifft einen Antrag des Kindesvaters auf Einräumung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Das betroffene 1,5 Jahre alte Kind ... [A] wurde nichtehelich geboren; die Beziehung der Kindeseltern war bereits vor seiner Geburt beendet. Seit seiner Geburt lebt ... [A] bei seiner Mutter, die als Krankenschwester berufstätig ist. In den 1,5 Jahren seit ... [A]s Geburt fanden - einschließlich des vorliegenden - schon mindestens sechs gerichtliche Verfahren im Zusammenhang mit dem Kind statt. Hierbei handelt es sich um ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren und einen Rechtsstreit auf Kindesunterhalt sowie neben dem vorliegenden Sorgerechtstreit und drei Umgangsverfahren.
Im hiesigen, vom Kindesvater im April 2016 beim Familiengericht eingeleiteten Sorgerechtsverfahren haben die Beteiligten in einer amtsgerichtlichen Anhörung am 29.07.2016 eine Zwischenvereinbarung geschlossen, nach der sie zunächst von einer Regelung der elterlichen Sorge Abstand genommen und zur Verbesserung ihrer Kommunikationsfähigkeit die Wahrnehmung einer Familienberatung vereinbart hatten. Diese Beratungsgespräche sind im Oktober 2016 von Seiten der Beratungsstelle als gescheitert abgebrochen worden. Der Kindesvater hat regelmäßigen Umgang mit ... [A].
Nach Anhörung der Eltern, des dem Kind bestellten Verfahrensbeistands und des Jugendamts hat das Familiengericht der Empfehlung des Jugendamts folgend die Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge abgelehnt. Zur Begründung führt es aus, dass eine solche dem Kindeswohl widerspreche. Zwar bestünden zwischen den Eltern keine grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten über ... [A] betreffende wesentliche Fragen. Dies jedoch betreffe lediglich die grundsätzliche Einstellung der Eltern, nicht jedoch ihre Fähigkeit, insoweit konsensuale Entscheidungen für ... [A] auch zu treffen. Denn das Verfahren habe deutlich gezeigt, dass den Kindeseltern die Befähigung zur Kommunikation miteinander auf sachlicher Ebene vollständig fehle. Insbesondere der Konsenswille des Kindesvaters sei nur insoweit erkennbar, als sich die dadurch erarbeitete Regelung zu seinem Vorteil darstelle. In seiner Grundhaltung sei er indes von einem tiefen Misstrauen gegenüber der Erziehungseignung der Kindesmutter geprägt. Auch die Kindesmutter hege dem Vater gegenüber ein Misstrauen. Derzeit seien die Eltern noch nicht in der Lage, ihre Probleme zu überwinden; die bisherigen Bemühungen hätten die Spannungen eher noch verstärkt. Ein Zwang zur gemeinsamen Entscheidungsfindung im Falle des gemeinsamen Sorgerechts würde dem Kindeswohl ebenfalls widersprechen. Denn hierdurch würde das Kind angesichts der tiefgreifenden Differenzen und gegenseitigen Verletzungen seiner Eltern in einen Loyalitätskonflikt geraten. Dadurch sei ... [A]s Schädigung vorprogrammiert.
Hiergegen wendet sich der Kindesvater mit seiner Beschwerde, mit welcher er an seinem erstinstanzlichen Begehren festhält. Er bezieht sich zunächst auf sein gesamtes erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend, die Feststellung des Familiengerichts, wonach die Eltern nicht hinreichend kommunikationsfähig seien, widerspreche der Tatsache, dass es unter beiden bezüglich des Kindes keine Differenzen gebe und wesentliche Entscheidungen im Grunde genommen die nächsten Jahre nicht anstünden. Somit sei die vom Familiengericht angenommene Gefahr jedenfalls zurzeit völlig abstrakt. Der in erster Instanz nicht anwaltlich vertretene und beratene Kindesvater habe sich teilweise missverständlich und ungeschickt ausgedrückt. So sei der - unzutreffende - Eindruck entstanden, er wolle sich in den Alltag einmischen. Beide Eltern litten aktuell noch unter durch Zeitablauf überholte Verletzungen und seien sich in erster Inst...