Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Erstattung der Mehrkosten von Mitgliedern einer Erbengemeinschaft, die trotz fehlenden Interessenkonflikts verschiedene Anwälte beauftragen
Leitsatz (amtlich)
1. Die nicht substantiierte Behauptung "erheblicher Differenzen" zwischen den Mitgliedern einer Erbengemeinschaft belegt noch keinen Interessenkonflikt, der es rechtfertigt, verschiedene Anwälte zu beauftragen. Die dadurch entstandenen Mehrkosten hat der unterlegene Prozessgegner daher nicht zu erstatten.
2. Allerdings ist in einem derartigen Fall die (fiktive) Mehrvertretungsgebühr zu erstatten, die einem gemeinsamen Prozessbevollmächtigten aller Mitglieder der Erbengemeinschaft entstanden wäre.
Normenkette
ZPO §§ 91, 100, 104, 106; BGB §§ 611, 2032, 2038, 2058; RVG-VV Nr. 1008
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 14.06.2012; Aktenzeichen 15 O 428/11) |
Tenor
1. Unter Aufhebung der Nichtabhilfeentscheidung des Rechtspflegers vom 5.9.2012 sowie des Kostenfestsetzungsbeschlusses des LG Koblenz vom 14.6.2012 wird die Sache zur erneuten Entscheidung über die Kostenaus- gleichung sowie die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
3. Der Streitwert wird auf bis zu 2.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat einen vorläufigen Erfolg.
Es ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht ersichtlich, dass die von den Beklagten als Erbengemeinschaft gewählte Vertretung durch eine Mehrzahl von Prozessbevollmächtigten zu einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung i.S.d. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig gewesen wäre, so dass der Kläger für den damit verbundenen zusätzlichen Aufwand im Rahmen der ihn belastenden Kostenquote aufzukommen hätte (zu den Grundsätzen bei gesamtschuldnerischer Haftung vgl. OLG Koblenz v, 30.8.1993 - 14 W 569/93, MDR 1994, 416 = AGS 1994, 52 = BB 1994, 966). Allerdings ist die Sache insoweit noch nicht entscheidungsreif. Die gleichwohl erfolgte Nichtabhilfeentscheidung verletzt den Kläger in seinen Anhörungsrechten.
Die Interessen der Beklagten gingen im vorliegenden Rechtsstreit miteinander einher. Sie wurden gesamtschuldnerisch auf Auskunft und Zahlung in Anspruch genommen. In den Klageerwiderungen wurde gleichförmig weder der Auskunftsanspruch des Klägers noch sein Pflichtteilsanspruch in Abrede gestellt, vielmehr die Erfüllung des Auskunftsanspruchs reklamiert und die des Zahlungsanspruchs in Aussicht gestellt. Dementsprechend ist auch nicht erkennbar, dass es bei den Vergleichverhandlungen Differenzen gab, die eine getrennte Beauftragung erforderlich machten. Der Prozessverlauf spricht also gegen die Annahme widerstreitender Interessen. Für eine irgendwie geartete Interessenkollision der Beklagten konkret im Hinblick auf die Klageforderung, die eine getrennte anwaltliche Vertretung hätte nahelegen können, ist aus den Akten nichts erkennbar.
Zwar hat die Beklagte zu 2) - erstmals im Beschwerdeverfahren und bisher von den Beklagten zu 1, 3 und 4 nicht unterstützt - erhebliche Differenzen zwischen den Beklagten behauptet. Der Vortrag der Beklagten zu 2) zu diesem Punkt lässt aber jedweden konkreten Hinweis vermissen, dass es sich um Differenzen im Hinblick auf diesen konkreten Rechtsstreit handelte, die eine Interessenkollision nahelegten. Grundsätzlich wäre es bei sonstigen Differenzen auch möglich gewesen für diesen Rechtsstreit einen gemeinsamen dritten Bevollmächtigten am Gerichtsort zu beauftragen.
Die Erwägung der Beklagten zu 2), dass keine gesetzliche Verpflichtung bestehe, sich bei einer Streitgenossenschaft gemeinschaftlich vertreten zu lassen, kann dahinstehen. Grundsätzlich ist jede Partei frei, ob und in welcher Weise sie sich vertreten lässt. Allerdings darf diese Freiheit nicht mit der Frage nach der Verpflichtung zur Kostentragung durch den Gegner verwechselt werden. Diese Frage beantwortet sich allein an dem Tatbestandsmerkmal der "Erforderlichkeit" in § 91 Abs. 1 ZPO. Der Umstand, dass der Kläger nicht nur einen, sondern alle Gesamtschuldner in Anspruch genommen hat, drückt sich in der von ihm zu tragenden Erhöhungsgebühr aus.
Nach alledem ist der Kläger nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht mit dem durch die Einschaltung von zwei Prozessbevollmächtigten entstandenen Mehraufwand zu belasten. Vielmehr erweist sich die Beauftragung separater Prozessvertreter derzeit unter den Umständen des vorliegenden Falls als rechtsmissbräuchlich (hierzu Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl.2012, § 91 Rz. 13 - Streitgenossen), so dass auch bei einer weiten Auslegung des in § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO niedergelegten Erforderlichkeitsgebots (vgl. dazu in anderem Zusammenhang BVerfG NJW 1990, 2124) für eine Erstattungspflicht des Klägers keine Grundlage vorhanden ist. Um dies abschließend festzustellen, wird der Rechtspfleger den Beklagten Gelegenheit zu geben haben, die Behauptung der Interessenkollision bezogen auf den konkreten Fall zu substantiieren und entsprechend § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO glaubha...