Leitsatz (amtlich)
1. Eine Aufklärungspflicht kann sich für den Verkäufer eines Hausgrundstücks bei Vorliegen besonderer Umstände auch aus dem Verhalten eines Nachbarn ergeben, sofern dieses geeignet ist, den Nutzungswert des verkauften Grundstücks erheblich zu beeinträchtigen und deshalb auf den Kaufentschluss des Käufers bzw. Kaufinteressenten Einfluss zu nehmen ("schikanöses Nachbarverhalten").
2. Das regelmäßige Abspielen von lauter Musik (tagsüber zwischen ca. 11.00 Uhr und 16.00 Uhr in als zu laut empfundener Lautstärke) sowie das Abschneiden von überhängendem Gartenbestand und Deponieren desselben auf jenem (Nachbar-)Grundstück, auf welchem der zum Überhang führende Baum/Strauch steht, lösen eine solche Aufklärungspflicht nicht aus.
3. Hat der Verkäufer im Nachgang zu einer wechselseitig körperlichen Auseinandersetzung Strafanzeige gegen seine Nachbarn erstattet und beabsichtigt die Staatsanwaltschaft das zum Verkaufszeitpunkt noch laufende Ermittlungsverfahren im Wege eines Täter-Opfer-Ausgleichs zum Abschluss zu bringen, drängt sich für den Verkäufer nicht auf, dass er seinen Kaufinteressenten über den Ablauf der Streitigkeiten mit den Nachbarn oder über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zwingend informieren muss, so dass jedenfalls keine schuldhafte Verletzung einer eventuellen Aufklärungspflicht angenommen werden kann.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 1 O 307/18) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil der ersten Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 09. April 2019, Az.: 1 O 307/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 02. März 2021.
Gründe
I. Die Klägerin macht einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Aufklärungspflicht durch den Beklagten und seine inzwischen verstorbene Ehefrau beim Kauf ihres Hausgrundstücks im August 2015 in B. geltend.
In der Besitzzeit des Beklagten und seiner Ehefrau hatte es mit den unmittelbar angrenzenden Grundstücksnachbarn, den Eheleuten E., Auseinandersetzungen gegeben, deren Ausmaß im einzelnen zwischen den Parteien streitig ist. Im Februar 2015 kam es aufgrund einer Strafanzeige des Beklagten gegen Frau E. wegen unerlaubter Anfertigung von Filmaufnahmen zu einem Ermittlungsverfahren (2080 Js 20649/15 StA Koblenz), das am 13. April 2015 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Ein am 10. März 2015 aufgrund einer Strafanzeige der Ehefrau des Beklagten wegen Körperverletzung gegen Frau E. eingeleitetes Ermittlungsverfahren (2080 Js 20487/15 StA Koblenz) endete im Oktober 2015 mit einem Freispruch.
Nach Einzug der Klägerin und ihres Lebensgefährten in das Haus im Jahr 2016 kam es zwischen diesen und den Eheleuten E. zu Streitigkeiten von erheblicher Intensität.
Die Parteien streiten im wesentlichen darüber, ob der Beklagte und seine Ehefrau vor Abschluss des Kaufvertrages zu einer Aufklärung über die nachbarschaftlichen Differenzen verpflichtet waren und ob bzw. inwieweit bei den Besichtigungsterminen ein Hinweis auf bestehende Probleme mit den Nachbarn tatsächlich erfolgt ist.
Das Landgericht hat die Klage nach Beiziehung von Akten und nach Vernehmung der Zeugen Eheleute E., der Maklerin L. und des Lebensgefährten der Klägerin sowie nach persönlicher Anhörung der Klägerin und des Beklagten abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, es sei bereits fraglich, ob die Verkäufer hier verpflichtet gewesen seien, die Klägerin vor Abschluss des Kaufvertrages über die Streitigkeiten mit den Eheleuten E. zu unterrichten. Dies könne aber dahinstehen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass objektiv eine derartige Aufklärungspflicht bestanden habe und tatsächlich eine ausreichende Aufklärung der Klägerin nicht erfolgt sei, so sei dem Beklagten jedenfalls kein diesbezüglicher Verschuldensvorwurf zu machen. Obwohl die Situation auch nach der eigenen Darstellung des Beklagten im Termin für ihn und seine Frau damals belastend gewesen und neben anderen Gründen (Krankheit, Alter, Grundstücksgröße) mitursächlich für die Wiederaufnahme der bereits Jahre zuvor eingeleiteten Verkaufsbemühungen bezüglich des Hausgrundstücks gewesen sei, habe es für den Beklagten und seine Ehefrau bei Vertragsabschluss keinen Anhaltspunkt dafür gegeben, dass sich das von ihnen beanstandete Verhalten der Eheleute E. auch gegenüber neuen Nachbarn fortsetzen würde. Aus ihrer Sicht habe kein Grund zu der Annahme bestanden, dass die Nachbarn E. sich auch gegenüber neuen Nachbarn in ähnlicher Weise verhalten könnten, da die Beweisaufnahme nicht ergeben habe, dass die Eheleute E. eine allgemein feindselige Einstellung gege...