Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Reiseveranstalters für Sturz infolge eines Hundeangriffs
Leitsatz (amtlich)
1. Eine dem Veranstalter bekannte, jedoch für den Reisenden nicht ohne weiteres erkennbare besondere Gefahrenlage kann einen Reisemangel darstellen. Dementsprechend haftet der Reiseveranstalter, dessen Ausflugsbus stets den von 2 Hunden bewachten Parkplatz eines Juweliergeschäfts ansteuert, wenn ein Reisender dem wahrnehmbar angeketteten Wachhund fernbleibt, dabei jedoch von einem zweiten, zunächst nicht wahrnehmbaren Wachhund angegriffen wird und dadurch zu Fall kommt.
2. Ein im Ausland erlittener Oberarmhalsbruch, der einen sofortigen Rücktransport nach Deutschland und eine plattenosteosynthetische Versorgung erfordert und zu viermonatigem Dauerschmerz mit Bewegungseinschränkungen führt, rechtfertigt ein Schmerzensgeld von 3.000 EUR.
Normenkette
BGB §§ 651c, 651 f., §§ 652, 253, 249
Verfahrensgang
Tenor
Gegen wegen Haftung des Reiseveranstalters für eine Sturzverletzung weist der 5. Zivilsenat des OLG Koblenz die Beklagte darauf hin, dass beabsichtigt ist, ihre Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen (§ 522 Abs. 2 ZPO).
Gründe
Die Berufung ist ohne Aussicht auf Erfolg. Das LG hat der Klage zu Recht weitgehend stattgegeben. Was die Berufung dagegen vorbringt, ist nicht stichhaltig.
1. Der 72 - jährige Kläger nahm vom 9. bis zum 23.5.2009 an einer Türkeireise teil. Reiseveranstalterin war die Beklagte. Eine Busfahrt am 15.5.2009 gehörte ebenfalls zu deren Reiseleistungen. Wie stets bei diesem Programmpunkt steuerte der Bus mit den Reisenden auch den Parkplatz vor einem Juweliergeschäft in Antalya an. Während einige Teilnehmer nach Verlassen des Busses wie geplant die Geschäftsräume des Juweliers aufsuchten, begab der Kläger sich in den durch Bäume beschatteten Randbereich des Parkplatzes, wo er Abstand von einem rechts in einer Hundehütte angeketteten Wachhund hielt. Plötzlich tauchte aus einem nicht einsehbaren flachen Schuppen links vom Kläger ein zweiter Wachhund auf, dessen Laufkette derart lang war, dass er den Kläger fast erreichte. Der Hund schnappte nach dem Fuß des Klägers, der vor dem Tier zurückweichend zu Fall kam und erhebliche Verletzungen erlitt. Neben einer aus anderen Gründen veranlassten Minderung des Reisepreises hat das LG dem Kläger u.a. 3.000 EUR Schmerzensgeld zuerkannt und die Ersatzpflicht für Zukunftsschäden festgestellt.
2. Das bekämpft die Berufung ohne Aussicht auf Erfolg.
a. Aus welchem Grund die Beklagte die Minderung des Reisepreises als fehlerhaft ansieht, teilt die Berufung nicht mit. Insoweit scheitert das Rechtsmittel an § 520 Abs. 3 Nr. 2 und 3 ZPO.
b. Der behauptete Verstoß gegen § 139 ZPO liegt nicht vor. Die Entscheidung des LG kann die Beklagte nicht überrascht haben. Das ergibt sich daraus, dass das Gericht in der mündlichen Verhandlung einen Vergleichsvorschlag unterbreitete, dessen Inhalt keinen Zweifel daran ließ, wie der Einzelrichter die Sach- und Rechtslage einschätzte.
c. Soweit das LG dem Kläger, gestützt auf §§ 651 f., 253 Abs. 2, 249 BGB, einen Schmerzensgeldanspruch zuerkannt und die Ersatzpflicht für Zukunftsschäden festgestellt hat, hält die Entscheidung den Berufungsangriffen stand.
Dass eine besondere, dem Reisenden nicht ohne weiteres erkennbare Gefahr, der durch einen Warnhinweis begegnet werden kann, einen Reisemangel darstellt, ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. BGH NJW 1982, 1521 betr. Überfallgefahr in einer Luxusvilla auf Jamaica).
Hier bestand eine derartige Gefahrenlage. Die zu den Akten gereichten Lichtbilder und die vom Senat in Augenschein genommenen Videoaufzeichnungen einer Überwachungskamera geben die Örtlichkeit und den konkreten Unfall hinreichend deutlich wieder. Danach begab der Kläger sich auf dem vom Reisebus angesteuerten Parkplatz zügig in dessen Randbereich. Er hatte anscheinend nicht wahrgenommen, wohl auch gar nicht wahrnehmen können, dass dort außer dem sichtbar in einer Hundehütte untergebrachten Hund noch ein zweiter Wachhund den Randstreifen unter den Bäumen am Rand des Parkplatzes kontrollierte und das Erscheinen des Klägers zum Anlass nahm, den Schuppen zu verlassen und auf den Kläger zuzulaufen. Der völlig überraschte und erschreckte Anspruchsteller wich zurück und kam an der Steinkante zum begrünten Randstreifen zu Fall.
Demgegenüber geht die Berufung von einem anderen Bild der Örtlichkeit am Unfalltag aus indem sie insbesondere behauptet, ein großes, mehrsprachiges Warnschild habe auch in deutscher Sprache auf die Gefahr hingewiesen. Damit kann die Beklagte angesichts der zweifelsfreien Feststellungen erster Instanz nicht gehört werden. Es gab keine zwei "Hundehütten"; das (erforderliche) Warnschild wurde erst nach dem Unfall angebracht.
Die Berufungsrüge, der Kläger habe sich ohne Not in den Aktionsradius des zweiten Hundes begeben, geht daran vorbei, dass nur ein Hund auf den ersten Blick wahrnehmbar war. Dass dort auch noch ein zweiter Hund Wache hielt, ...