Entscheidungsstichwort (Thema)
Trennungs- und Kindesunterhalt: Mehrstufige Mangelfallberechnung bei vereinbartem Vorrang des Kindesunterhalts
Leitsatz (amtlich)
Haben die Parteien einen Vorrang des Kindesunterhalts vereinbart und ist der Unterhaltsschuldner nicht ausreichend leistungsfähig, neben dem Kindesunterhalt auch den vollen Ehegattenunterhalt zu zahlen, ist eine mehrstufige Mangelfallberechnung erforderlich. Hierbei ist zunächst der billige Selbstbehalt von 1.000 EUR einzustellen und auf diesem Weg der auf den Ehegatten entfallende Unterhalt zu ermitteln. Der Differenzbetrag zwischen dem billigen und dem notwendigen Selbstbehalt von 110 EUR (1.000 EUR -890 EUR) ist sodann anteilig auf die Kinder zu verteilen. Wenn hierdurch der für die Kinder vereinbarte Unterhaltsbetrag noch nicht erreicht wird, ist der Ehegattenunterhalt um den noch erforderlichen Differenzbetrag zu kürzen.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 1-2, §§ 1609, 1361
Verfahrensgang
AG Diez (Urteil vom 19.06.2007; Aktenzeichen 12 F 133/06) |
Tenor
Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Einlegung einer Berufung gegen das Urteil des AG - FamG - Diez vom 19.6.2007 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die beantragte Prozesskostenhilfe kann nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 525, 114 ZPO).
Hinsichtlich des rückständigen Kindesunterhalts fehlt es bereits an einem wirksamen Berufungsangriff.
Den Trennungsunterhalt hat das FamG nicht zu hoch bemessen.
Hierbei kann dahinstehen, ob der Auslandsverwendungszuschlag für den Einsatz des Beklagten in vollem Umfang in die Berechnung einzubeziehen ist. Wie auch in der vom Beklagten zitierten Entscheidung des OLG Schleswig (FamRZ 2005, 369) ausgeführt ist, sind Zulagen für Auslandseinsätze grundsätzlich unterhaltspflichtiges Einkommen, wobei allerdings konkreter Mehrbedarf vorweg abzusetzen ist (BGH FamRZ 1980, 342, 344; OLG Koblenz, 13. OLG Koblenz FamRZ 2000, 1154). Es stellt sich daher allenfalls die Frage, ob wegen der mit dem Einsatz in einem Krisengebiet verbundenen physischen und psychischen Belastungen (vgl. § 2 AuslVZVO) ein Billigkeitsabschlag vorzunehmen ist, den das OLG Schleswig in Höhe der Hälfte der Zulage vorgenommen hat. Ein solcher Abschlag kann unterstellt werden, ohne dass sich die Berechnung im Ergebnis zugunsten des Beklagten ändert.
Das FamG hat nämlich bei der Umsetzung des von den Parteien vereinbarten Vorrangs des Kindesunterhalts nicht berücksichtigt, dass dem Beklagten ggü. dem Kindesunterhalt nur der notwendige Selbstbehalt des § 1603 Abs. 2 BGB zusteht; das waren in der hier maßgeblichen Zeit 890 EUR. Nach der Berechnung des FamG verblieb dem Beklagten aber durchweg, also auch ggü. dem Kindesunterhalt, nur der ggü. dem Ehegattenunterhalt geltende (vgl. hierzu BGH FamRZ 2006, 683; 21.4 KoL) billige Selbstbehalt von 1.000 EUR; das ist mit § 1603 Abs. 2 BGB nicht zu vereinbaren (in diesem Sinne auch OLG Celle FamRZ 2007, 1020). Dieses Problem der unterschiedlichen Selbstbehalte ist nach Ansicht des Senates nur dadurch zu lösen, dass bei der erforderlichen Mangelfallberechnung der Differenzbetrag zwischen den beiden Selbstbehalten (110 EUR) zunächst dem Kindesunterhalt zugeschlagen wird und, wenn hierdurch der vereinbarte Unterhaltsbetrag nicht erreicht wird, dieser zu Lasten des Ehegattenunterhalts entsprechend aufgestockt wird. Auf diese Weise wird verhindert, dass der gesamte für das Kind und den betreuenden Ehegatten entrichtete Unterhalt um die Differenz zwischen dem Selbstbehalt für Ehegatten und dem notwendigen Selbstbehalt gekürzt wird, der nach der Wertung des Gesetzgebers dem Kindesunterhalt zugute kommen soll. Soweit das OLG Celle (a.a.O.) bei vereinbartem Vorrang des Kindesunterhalts einheitlich den notwendigen Selbstbehalt auch ggü. dem Ehegattenunterhalt ansetzen will, missachtet dies die unterschiedliche Ausgestaltung der Selbstbehalte in § 1603 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, wonach nur gegenüber minderjährigen und diesen gleichgestellten privilegiert volljährigen Kindern eine gesteigerte Unterhaltspflicht besteht, nicht aber ggü. dem Ehegatten (vgl. BGH FamRZ 2006, 765)...
Hiernach ist bei Berücksichtigung des hälftigen Auslandszuschlags wie folgt zu rechnen (Beträge jeweils gerundet):
Oktober bis Dezember 2005
Unterhaltsbedarf: Kindesunterhalt(135 % des Regelbetrages) 276 EUR
Einsatzbetrag Ehegattenunterhalt 770 EUR
Gesamtbedarf: 1.046 EUR
durchschnittliches Nettoeinkommen(ohne Zuschlag) 1.754 EUR
hälftiger Auslandszuschlag (3.257,03: 12: 2) 136 EUR
1.890 EUR
berufsbedingte Aufwendungen 95 EUR
Verbindlichkeiten 534 EUR
unterhaltsrelevantes Einkommen: 1.261 EUR
notwendiger Selbstbehalt 1.000 EUR
Verteilungsmasse 261 EUR
Deckungsquote 24,95 %.
Hieraus errechnet sichEhegattenunterhalt von 192 EUR
und ein Kindesunterhalt von 69 EUR,
der mit Hilfe der Differenz derSelbstbehalte von 110 EUR
aufzustocken ist auf 179 EUR.
Zur Auffüllung auf denvereinbarten Zahlbetrag von 199 EUR
bedarf es weiterer 20 EUR,
um die der Ehegattenunter...