Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Anwaltsgebühren des Berufungsbeklagten
Leitsatz (amtlich)
›Verbindet der Berufungsführer sein fristwahrend eingelegtes Rechtsmittel mit der Bitte, von der Bestellung in zweiter Instanz vorerst abzusehen, und nimmt er die Berufung sodann zurück, setzt die Erstattung einer Gebühr nach 3201 VV zum RVG die Glaubhaftmachung voraus, dass der Berufungsbeklagte seinem Anwalt gleichwohl einen Auftrag für die zweite Instanz erteilt hat.‹
Verfahrensgang
LG Koblenz (Entscheidung vom 02.08.2006; Aktenzeichen 1 O 215/05) |
Gründe
Der Kläger legte gegen das Urteil erster Instanz mit Schriftsatz vom 17. März 2006 Berufung ein und bat die Prozessbevollmächtigten des Beklagten, sich bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist noch nicht bei Gericht zu bestellen, weil nicht feststehe, ob das Rechtsmittel durchgeführt werde. Mit Schriftsatz vom 11. April 2006 nahm der Kläger die Berufung zurück. Ihm sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auferlegt worden.
Der Beklagte beantragte die Festsetzung einer Gebühr nach 3200 VV zum RVG. Der Kläger hat dem widersprochen. Die Rechtspflegerin hat lediglich eine Gebühr nach 3201 VV zum RVG festgesetzt.
Auch das hält der Kläger für verfehlt. Wegen der Bitte, sich noch nicht zu bestellen, habe kein Anlass bestanden, im Berufungsverfahren tätig zu werden. Dafür habe auch kein Auftrag des Beklagten bestanden. Dementsprechend hätten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten sich auch nicht bei Gericht bestellt.
Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde unter Hinweis auf die in JurBüro 2005, 418 abgedruckte Entscheidung des Kammergerichts nicht abgeholfen.
Der Senat hat die Prozessbevollmächtigten des Beklagten darauf hingewiesen, dass er die Behauptung, vom Beklagten mit der Vertretung im Rechtsmittelverfahren beauftragt worden zu sein, als nicht hinreichend substantiiert ansehe.
Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.
Die angefochtene Entscheidung steht nur scheinbar in Einklang mit der Senatsrechtsprechung (Beschluss vom 6. Dezember 1994, 14 W 687/94, in MDR 1995, 968 und ständig), die zwischenzeitlich vom BGH in einem Rechtsbeschwerdeverfahren mit eingehender Begründung gebilligt worden ist (BB 2003, 1754 = MDR 2003, 1140 = BGHReport 2003, 1115-1116 = NJW 2003, 2992-2993 = FamRZ 2003, 1461 = Rpfleger 2003, 619-620 = JurBüro 2003, 595-596 = VersR 2004, 1019-1020).
Der vorliegende Fall weist zwei Besonderheiten auf, deren erste dem geltend gemachten Erstattungsanspruch entgegensteht, ohne dass die zweite noch erörtert werden muss. Zum einen bestreitet der Kläger, dass der Beklagte seinen erstinstanzlichen Bevollmächtigten einen Auftrag für die Vertretung in zweiter Instanz erteilt hat. Zum zweiten sind die Prozessbevollmächtigten des Beklagten in dem Berufungsverfahren erstmals mit dem Kostenfestsetzungsantrag bei Gericht in Erscheinung getreten.
Die Behauptung, die erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten seien ohne dessen Auftrag im Berufungsverfahren tätig geworden, betrifft die Frage, ob die geltend gemachte Gebühr überhaupt entstanden ist. Muss das verneint werden, stellt sich die Frage der Erstattungsfähigkeit nicht. So liegt es hier.
Gegenüber der Behauptung des Klägers, der Auftrag der Beklagtenanwälte sei auf den Rechtszug erster Instanz beschränkt gewesen, hätte aufgezeigt werden müssen, dass bereits die Grenzen des ursprünglich erteilten Mandats anders waren oder dass für die zweite Instanz ein ausdrücklicher Auftrag erteilt wurde. Die bloße Weiterreichung einer Rechtsmittelschrift an die eigene Partei gehört noch zum Rechtszug erster Instanz und ist mit der dort verdienten Gebühr abgegolten. Das ergibt sich aus dem Gesetz (§ 19 Abs. 1 Nr. 9 RVG). Erreicht den Rechtsmittelbeklagten mit der Berufungsschrift auch die Bitte, von der Bestellung eines Anwalts vorerst abzusehen, wird er diesem Wunsch häufig entsprechen in der Erwartung, dass die Berufung zurückgenommen wird. Ebenso kann es jedoch Gründe geben, sich auch im Berufungsverfahren alsbald anwaltlicher Hilfe zu bedienen. Nur ein derartiger Auftrag löst indes die Gebühren nach 3200 ff VV zum RVG aus. Dass der Beklagte einen derartigen Auftrag erteilt hat, ist nicht zu ersehen und trotz des gerichtlichen Hinweises auch nicht substantiiert worden. Auch eine Glaubhaftmachung (§ 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO) ist nicht erfolgt; die bloße anwaltliche Erklärung (hier: in den Schriftsätzen vom 26. September und 6. November 2006) ist nur in den Fällen des § 104 Abs. 2 Satz 2 ZPO ausreichend.
Das lässt sich im vorliegenden Fall auch nicht durch den Hinweis der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten entkräften, sie hätten alsbald beim Rechtsschutzversicherer des Beklagten um Deckungsschutz für die zweite Instanz nachgesucht. Beruhte dieser Antrag nicht auf einem entsprechenden Auftrag des Beklagten, schuldet dieser dafür auch keine Vergütung und der Kläger demzufolge auch keine Erstattung.
Der Hinweis der Rechtspflegerin auf die Entscheidung des Kammergerichts ist nicht t...