Entscheidungsstichwort (Thema)
Heimlicher Umzug ins Ausland mit den gemeinsamen Kindern
Leitsatz (amtlich)
1. Wechselt ein Elternteil, der das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind hat, seinen Wohnort und den des Kindes innerhalb der Staaten der europäischen Gemeinschaft gegen den Willen des im Übrigen mitsorgeberechtigten Elternteils, ist das nicht widerrechtlich i.S.v. Art. 3 HkiEntÜ, weil der andere Elternteil seine Mitsorge auch von seinem Heimatland aus in ausreichendem Maße ausüben kann.
2. Maßgeblich ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung, wenn durch eine Veränderung der Sachlage in diesem Zeitpunkt Recht des Kindes oder des anderen Elternteils nicht mehr verletzt sind.
Normenkette
HKiEntÜ Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Betzdorf (Beschluss vom 26.06.2007; Aktenzeichen 5 F 212/07) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - FamG - Betzdorf vom 26.6.2007 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Verbringung der Kinder
J. W., geboren am ... November 1996,
Je. W., geboren am ... März 1998 und
Ju. W., geboren am ... Juli 2001,
im Oktober 2006 aus der Bundesrepublik Deutschland nach Großbritannien war nicht widerrechtlich gem. Art. 3 Abs. 1 des Haager Kindesentführungsübereinkommens vom 25.10.1980.
2. Der Antrag der Antragsgegnerin, ihren Wohnort als Aufenthaltsort der Kinder zu bestimmen, wird als unzulässig verworfen.
3. Gerichtskosten und Auslagen werden für das Verfahren nicht erhoben.
Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Verfahrensbeteiligten selbst.
Gründe
I. Die Kinder J., Je. und Ju. W. sind die gemeinsamen Kinder der Parteien. Deren Ehe ist geschieden. Die Parteien haben die elterliche Sorge für die Kinder gemeinsam inne. Durch Beschluss des AG Betzdorf vom 29.10.2003 wurde jedoch das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder auf die Antragsgegnerin allein übertragen. Der Antragsteller hat ein Umgangsrecht am Wochenende alle 14 Tage und jeweils in der ersten Hälfte der Schulferien.
Ohne den Antragsteller hierüber zu unterrichten, übersiedelte die Antragsgegnerin mit den Kindern und ihrem heutigen Ehemann nach England (West Sussex). Nachdem er über ein Strafverfahren die Adresse der Antragsgegnerin erfahren hatte, leitete der Kindesvater am 10.1.2007 bei dem Bundesamt für Justiz, Zentrale Behörde, einen Antrag nach dem Haager Kindesentführungsabkommen zur Rückführung der Kinder ein. Dieses Verfahren steht vor dem High Court of Justice zur Entscheidung an. Dieser hat dem Antragsteller aufgegeben, eine Widerrechtlichkeitsbescheinigung nach Art. 15 HKiEntÜ beizubringen.
Der Antragsteller ist der Auffassung, dass ihm durch die Übersiedlung der Antragsgegnerin mit den drei Kindern zunächst aufgrund des Umstandes, dass er nicht einmal den Aufenthaltsort seiner Kinder gekannt habe und nunmehr aufgrund der Entfernung die Ausübung der übrigen Teilbereiche der elterlichen Sorge, wie z.B. Gesundheitsfürsorge und Vermögenssorge, unmöglich gemacht sei. Außerdem werde ihm die Ausübung seines Umgangsrechtes unmöglich gemacht. Die umfangreiche Ausgestaltung des Umgangsrechts durch das AG hätte quasi einen Wegzug der Mutter sichern sollen. Hierin liege eine immanente Beschränkung des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Mutter.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass sie ohne Zustimmung des Vaters zu dem Umzug nach England berechtigt gewesen sei, da ihr das Aufenthaltsbe-stimmungsrecht für alle drei Kinder allein zustehe.
Das FamG hat durch Beschluss vom 26.6.2007 die Widerrechtlichkeit des Verbringens der Kinder nach Großbritannien gem. Art. 3 Abs. 1 des HKiEntÜ vom 25.10.1980 festgestellt. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, die Antragsgegnerin sei zwar nach deutschem Recht grundsätzlich berechtigt, die Kinder nach Großbritannien mitzunehmen, da ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht zur alleinigen Ausübung zugewiesen worden sei. Auch sei davon auszugehen, dass über größere Entfernungen eine Ausübung des Sorgerechts in den übrigen Teilbereichen möglich sei. Dennoch sei das Verbringen widerrechtlich wegen der konkreten Art und Weise, in der sie erfolgt sei. Denn erst im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens habe der Antragsteller in Erfahrung bringen können, wohin die Antragsgegnerin mit den Kindern verzogen sei. Bis dahin sei der Antragsgegner in der Ausübung der elterlichen Sorge gehindert gewesen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, die geltend macht, der Beruf ihres heutigen Ehemannes habe die Übersiedlung nach England notwendig gemacht. Die Kinder fühlten sich sehr wohl in der neuen Umgebung. Auch zahle der Antragsteller keinen Kindesunterhalt.
Die Antragsgegnerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und weiter, zu beschließen, dass die Beschwerdeführerin und Antragsgegnerin berechtigt sei, ihre drei Kinder J. W., geboren am ... 11.1996, Je. W., geboren am ... 3.1998 und Ju. W., geboren am ... 7.2001, an ihrem neuen Wohnort in England wohnen zu lassen und diesen Aufenthaltsort für die Kinder zu bestimmen.
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