Leitsatz (amtlich)
Ein Berichtigungsbeschluss hat keinen Einfluss auf den Lauf einer Rechtsmittelfrist es sei denn, sie lässt die Beschwer oder die Anfechtbarkeit erst erkennen (Anschluss an: BGH MDR 2017, 228).
Das Gericht kann die Zulässigkeit eines jedenfalls unbegründeten Antrags offenlassen, wenn die Zurückweisung des Antrags als unzulässig und als unbegründet die gleichen Wirkungen und Rechtsfolgen hat.
Ein in einem familienrechtlichen Mandat tätiger Rechtsanwalt muss die Unterscheidung zwischen fG-Familiensachen und Familienstreitsachen kennen und kann sich in einer Familienstreitsache nicht auf die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung, wonach die Beschwerde lediglich begründet werden soll, verlassen.
Normenkette
FamFG §§ 39, 42, 63 Abs. 2, § 113 Abs. 1, § 117 Abs. 1 S. 3, Abs. 5; ZPO §§ 233, 319
Verfahrensgang
AG Koblenz (Aktenzeichen 208 F 60/23) |
Tenor
1. Der Antrag der Antragstellerin, ihr Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 07.07.2023 zu gewähren, wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 07.07.2023 wird als unzulässig verworfen.
3. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
4. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf bis 190.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute und streiten um ihre steuerliche Auseinandersetzung im Zuge ihrer Trennung und Scheidung im Zusammenhang mit einer notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung.
Das Familiengericht hat mit der angefochtenen Entscheidung den auf Zahlung von 126.136,86 EUR zzgl. Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten gerichteten Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen und diese - berichtigt durch Beschluss vom 25.07.2023 - auf den Widerantrag des Antragsgegners zur Zahlung von 58.901,50 EUR zzgl. Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten verpflichtet. Insoweit wird auf den Beschluss vom 07.07.2023 verwiesen.
Der Beschluss vom 07.07.2023 enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung über die einmonatige Frist zur Einlegung der Beschwerde und führt im Übrigen aus, dass die Beschwerde begründet werden soll. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechtsbehelfsbelehrung Bezug genommen.
Die Entscheidung ist den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 10.07.2023 zugestellt worden; das Empfangsbekenntnis wurde aus dem besonderen Anwaltspostfach der Rechtsanwältin L. zurückgesandt. Am 09.08.2023 hat die Antragstellerin gegen den Beschluss vom 07.07.2023 Beschwerde eingelegt; diese ist von Rechtsanwalt Sch. signiert.
Mit am 14.09.2023 zugestellter Verfügung vom gleichen Tag hat der Senat darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel mangels fristgerechter Vorlage einer Beschwerdebegründung als unzulässig zu verwerfen sei. Hieraufhin hat die Antragstellerin am 28.09.2023 mit Anwaltsschriftsatz Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Beschwerdebegründung beantragt, diesen Antrag begründet sowie zugleich für den Fall der Wiedereinsetzung ihre Beschwerdeanträge angekündigt und diese begründet.
Ihren Wiedereinsetzungsantrag stützt die Antragstellerin auf einen eidesstattlich versicherten entschuldbaren Rechtsirrtum des sachbearbeiteten Rechtsanwalts Sch. Aufgrund der falschen Rechtsmittelbelehrung sei die Frist zur Beschwerdebegründung nicht notiert worden, obgleich die Fristenkontrolle in der Kanzlei durch die diesbezüglich erfahrene und zuverlässige Mitarbeiterin, Frau S., für den sachbearbeitenden Rechtsanwalt vorgenommen werde. Letzterer habe die Fristen anhand der Rechtsmittelbelehrung noch selbst geprüft. Die Rechtsmittelbelehrung sei zwar zweifelsfrei falsch; ein anwaltliches Verschulden sei allerdings zu verneinen. Der sachbearbeitende Rechtsanwalt, der im Familienrecht schlichtweg nicht tätig sei, sondern die Sachbearbeitung übernommen habe, da hier keine familienrechtlichen, sondern eher allgemeine zivilrechtliche bzw. vertrags- und schuldrechtliche Aspekte zu prüfen gewesen seien, habe sich auf die Rechtsbehelfsbelehrung verlassen. Diese sei nicht offenkundig falsch gewesen und die Fehlerhaftigkeit sei daher auch für einen Rechtsanwalt nicht ohne nähere Rechtsprüfung erkennbar gewesen, weil sie der im Regelfall genutzten Rechtsbehelfsbelehrung im FamFG-Verfahren entspreche. Auch ein Rechtsanwalt müsse trotz dem Erfordernis der Kenntnis der jeweiligen Verfahrensordnung bei Übernahme eines Mandats nicht klüger sein als das zuständige Fachgericht.
Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass Wiedereinsetzung nicht gewährt werden könne. Eine Rechtsmittelbelehrung sei nach § 232 S. 2 ZPO schon entbehrlich gewesen. Überdies sei diese nicht falsch, sondern lediglich unvollständig. Zu einen unvermeidbaren, zumindest aber nachvollziehbaren und daher verständlichen anwaltlichen Rechtsirrtum habe dies aber nicht führen können. Auch sei eine nochmalige anwaltliche Prüfung zum Zeitpunkt der Vorlage zur Vorfrist zur Beschwerdeeinlegung nicht d...