Leitsatz (amtlich)

1. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen einer inhaltlich unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung setzt die Kausalität zwischen dem Belehrungsmangel und der Fristversäumung voraus; diese kann bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten entfallen, wenn die durch das Gericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig falsch gewesen ist und deshalb - ausgehend von den bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Grundkenntnissen des Verfahrensrechts und des Systems - nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermocht hat (Anschluss an BGH FamRZ 2012, 1287).

2. Diesen Anschein der Richtigkeit kann eine Rechtsbehelfsbelehrung in einer im FamFG-Verfahren erlassenen einstweiligen Anordnung, in der rechtsfehlerhaft über eine Beschwerdefrist von einem Monat - statt richtig von zwei Wochen (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) - belehrt wird, jedenfalls dann nicht erwecken, wenn schon aus dem Aktenzeichen auf der ersten Seite des Beschlusses, aber auch aus dessen Begründung offensichtlich ist, dass die Endentscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangen ist.

3. Der Rechtsanwalt geschuldet die eigene Prüfung des Fristablaufs im Zusammenhang mit der erstmaligen Vorlage der Entscheidung bei ihm. Für die Beschwerdefrist ist ihm das schon bei Vorlage des Empfangsbekenntnisses zur Unterzeichnung möglich und zumutbar. Bereits dann muss auch die Rechtsbehelfsbelehrung auf ihre Richtigkeit geprüft werden.

 

Verfahrensgang

AG St. Ingbert (Beschluss vom 26.07.2012; Aktenzeichen 4 F 81/12 EASO)

 

Tenor

1. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - in St. Ingbert vom 26.7.2012 - 4 F 81/12 EASO - wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - in St. Ingbert vom 26.7.2012 - 4 F 81/12 EASO - wird als unzulässig verworfen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Verfahrenswert der Beschwerdeinstanz wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Durch den angefochtenen Beschluss vom 26.7.2012, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht dem Antragsteller nach mündlicher Erörterung vom 25.7.2012 im Wege einstweiliger Anordnung antragsgemäß das Aufenthalts-bestimmungsrecht für das beteiligte Kind übertragen. Die der Unterschrift des erkennenden Richters vorangestellte Rechtsbehelfsbelehrung weist als Beschwerdefrist einen Monat aus. Der Beschluss ist den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 30.7.2012 zugestellt worden. Gegen ihn richtet sich die von den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin eingelegte und am 24.8.2012 beim Familiengericht eingegangene Beschwerde, die in der Nachfolge begründet worden ist. Die Antragsgegnerin beantragt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das beteiligte Kind auf sie zu übertragen, und sucht um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach.

Mit Verfügung vom 20.9.2012 hat die Senatsvorsitzende die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, weil diese nicht innerhalb der Beschwerdefrist eingelegt worden sei und eine Wiedereinsetzung trotz der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung des Familiengerichts nicht in Betracht kommen dürfte.

Mit Schriftsatz vom 2.10.2012, der wegen der Einzelheiten in Bezug genommen wird, bitten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin um Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist. Der Antragsteller trägt auf Zurückweisung der Beschwerde und des Wiedereinsetzungsantrags an. Das Kreisjugendamt des Saarpfalz-Kreises gibt die Beurteilung der Zulässigkeit der Beschwerde dem Ermessen des Senats anheim.

II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist nach § 68 Abs. 2 S. 2 FamFG zu verwerfen, weil sie unzulässig ist. Denn sie ist erst nach Ablauf der gem. § 63 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 1, § 41 Abs. 1 FamFG am 13.8.2012 endenden Beschwerdefrist eingelegt worden.

Das Wiedereinsetzungsgesuch der Antragsgegnerin ist zurückzuweisen, weil diese die Beschwerdefrist nicht schuldlos versäumt hat.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung von Rechtsmittelfristen in Familiensachen, die - wie hier - keine Ehe- oder Familienstreitsachen sind, kommt nach § 17 Abs. 1 FamFG nur dann in Betracht, wenn der Verfahrensbeteiligte die Frist ohne sein Verschulden versäumt hat. Auch wenn die Fristversäumung auf einem Rechtsirrtum beruht, kann Wiedereinsetzung nur bewilligt werden, wenn der Irrtum unverschuldet ist (vgl. dazu nur BGH FamRZ 2012, 1287; 2010, 1425).

Von dem hierin liegenden Verschulden ist die Antragsgegnerin nicht aufgrund von § 17 Abs. 2 FamFG freigezeichnet. Nach dieser Vorschrift, die in erster Linie dem Schutz des Rechtsunkundigen dient, wird ein Fehlen des Verschuldens vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

Letzteres ist hier zwar der Fall, nachdem in der - gem. § 39...

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