Entscheidungsstichwort (Thema)
Mangels Baukostengarantie oder unvertretbarer Bausummenüberschreitung keine Architektenhaftung für Kostenfehleinschätzung bei der Altbausanierung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Schätzung der Kosten einer Altbausanierung ist nicht vergleichbar mit den Pflichten, die einen Architekten treffen, der die Kosten eines auf bisher unbebautem Gelände zu errichtenden Neubaus schätzen soll.
2. Allerdings hat auch der mit der Kostenschätzung der Altbausanierung beauftragte Architekt alle maßgeblichen Umstände sorgfältig zu ermitteln und daneben auch die Kostenvorstellungen des Bauherrn zu berücksichtigen. Angesichts der Unwägbarkeiten der Kosten einer Altbausanierung ist die Grenze zur haftungsrelevanten Pflichtwidrigkeit allerdings erst dann überschritten, wenn dem Planer ein "Fehlgriff in der Oktave" unterlaufen ist. Maßgeblich sind die Parteivereinbarungen und eine wertende Gesamtschau aller sonstigen Umstände des jeweiligen Einzelfalls (Abgrenzung zu BGH VII ZR 171/95 und OLG Hamm 24 U 151/04).
Normenkette
BGB a.F. § 249; BGB §§ 276, 634-635; BGB n.F. § 249; BGB §§ 280-281
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 13.09.2011; Aktenzeichen 6 O 167/02) |
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Mainz vom 13.9.2011 wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
3. Das angefochtene Urteil und der Senatsbeschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, sofern der Beklagte nicht vor der Vollstreckung eine entsprechende Sicherheit leistet.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 209.162 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Berufung ist aus den Gründen des Senatsbeschlusses vom 18.9.2012, auf den ebenso Bezug genommen wird wie auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, unbegründet. Im Beschluss vom 18.9.2012 hat der Senat mitgeteilt:
"1. Ursprünglich haben der klagende Steuerberater und sein Vater, ein Diplom - Ingenieur, den beklagten Architekt wegen Schlechterfüllung eines Architektenvertrages auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Der Vater hat seine vermeintlichen Ansprüche im Laufe des Rechtsstreits an den Sohn abgetreten und die eigene Klage zurückgenommen.
Mit der gegen Sohn, Vater und Ehefrau des Sohnes gerichteten Widerklage hat der Beklagte restliches Architektenhonorar nebst Zinsen geltend gemacht.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Durch notariellen Vertrag vom 22.7.1999 kauften die drei Widerbeklagten und die Eheleute Alexandra und Holger S. ein insgesamt 1291 qm großes bebautes Grundstück in M.. Davon erhielten die Eheleute S. eine Teilfläche von 260 qm.
Scheune, Gesindehaus und Ställe auf der Restfläche wollten die drei Widerbeklagten zu Wohnungen umbauen lassen. Dem vorausgegangen war eine von den drei Widerbeklagten mündlich in Auftrag gegebene, vom 11.7.1999 datierende "vorläufige Kostenberechnung" des Beklagten, der die Umbaukosten auf 662.000 DM veranschlagte.
Dabei soll es sich nach dem Klagevorbringen um eine verbindliche Bausummen- schätzung des Beklagten gehandelt haben, die jedoch grob fehlerhaft viel zu niedrig veranschlagt sei. Nur im Vertrauen auf die Richtigkeit der Berechnungen des Beklagten hätten sie das Grundstück erworben, zu dessen Weiterveräußerung sie gezwungen gewesen seien als sich herausgestellt habe, dass die Baumaßnahmen in einer für sie nicht mehr finanzierbaren Weise teurer gewesen seien. Der daraus resultierende Schaden betrage 189.727,39 EUR. Dieser Betrag nebst Zinsen ist Gegenstand der Klage.
Der Beklagte hat seiner vorläufigen Kostenberechnung die Verbindlichkeit abgesprochen, sich auf einen breiten Prognosespielraum berufen, verteuernde Planänderungen behauptet und den Zurechnungszusammenhang zwischen der angeblichen Pflichtverletzung und dem Schaden ebenso bestritten wie den Schadensumfang.
Widerklagend hat er sein auf 19.435,38 EUR beziffertes Resthonorar nebst Zinsen geltend gemacht.
2. Das LG, auf dessen Entscheidung zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat mehrere Sachverständige konsultiert, Zeugen befragt und die im selbständigen Beweis- verfahren 7 OH 8/01 LG Mainz gewonnenen Erkenntnisse berücksichtigt. Auf dieser Grundlage hat das LG die Klage abgewiesen und der Widerklage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Die Aussagen der Eheleute S. sprächen zwar für eine Baukostengarantie des Beklagten, indes seien die Bekundungen der beiden Zeugen nicht hinreichend verlässlich. Im Übrigen habe der Kläger selbst eingeräumt, dass 100.000 DM Spielraum nach oben vorhanden gewesen sei. Letztlich müsse dem Beklagten auch ein Prognoseermessen zugebilligt werden. Der zuletzt tätige Sachverständigen Professor P. habe bei niedrigem Preisniveau die Baukosten auf 725.304 DM veranschlagt. Damit habe die abweichende Schätzung des Beklagten keinen Umfang, dass vo...