Leitsatz (amtlich)
1.
Als gerichtskundig in die richterliche Überzeugungsbildung einbezogene Tatsachen müssen - nicht protokollierungspflichtig (BGHSt 36, 354) - in der Form Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen sein, dass das Gericht darauf hingewiesen hat, es werde diese Tatsachen möglicherweise als offenkundig seiner Entscheidung zu Grunde legen.
2.
Zwar muss der Tatrichter, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Kontrolle der Beweiswürdigung zu ermöglichen, im Urteil grundsätzlich das angewandte Messverfahren und den berücksichtigten Toleranzwert mitteilen (BGH NJW 1993, 3081, 3083/3084). Dieser Darstellung bedarf es jedoch nicht, wenn der Betroffene uneingeschränkt und glaubhaft einräumt, die vorgeworfene Geschwindigkeit - mindestens - gefahren zu sein.
3.
Die Überprüfung der eigenen Fahrgeschwindigkeit durch den Führer eines Kraftfahrzeugs ist ein derart selbstverständlicher Vorgang, dass es dann, wenn der betroffene Kraftfahrer das Ergebnis einer durchgeführten Messung bestätigt, im Urteil regelmäßig keiner näheren Ausführungen zur Eignung seiner Erkenntnisquelle und Zuverlässigkeit seines Wissens bedarf.
Verfahrensgang
AG Montabaur (Entscheidung vom 21.05.2003) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Montabaur vom 21. Mai 2003 mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Von der Aufhebung ausgenommen bleiben die getroffenen Feststellungen zum Tatort sowie zur Tatzeit und objektiven Tathandlung des Betroffenen einschließlich seiner Fahrgeschwindigkeit; diese bleiben aufrechterhalten.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 42 km/h eine Geldbuße von 100,00 EUR festgesetzt und ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet.
Nach den Urteilsfeststellungen befuhr der Betroffene mit einem PKW die Bundesautobahn 3 in Fahrtrichtung Frankfurt/Main im Bereich der Gemarkung M.. Wegen einer Baustelle war die zulässige Höchstgeschwindigkeit dort durch Verkehrszeichen 274 auf 80 km/h begrenzt. Neben der Baustellenbeschilderung waren jeweils beidseitig die Verkehrszeichen 274 aufgestellt und zwar kurz vor Kilometer 75,64 mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h, bei Kilometer 76,040 sowie bei Kilometer 76,3240 mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h und ein weiteres, die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h begrenzendes Verkehrszeichen bei Kilometer 76,600. Bei Kilometer 77 bewegte der Betroffene das Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 122 km/h.
Weiter geht das Urteil davon aus, dass dem Betroffenen die Geschwindigkeitsbeschränkung bekannt war und er bewusst mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist.
Zur Einlassung des Betroffenen wird mitgeteilt, dass er die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung eingeräumt hat. Vorsätzliches Handeln hat die Bußgeldrichterin aus dem Vorbeifahren an den unübersehbaren, wiederholt aufgestellten Verkehrszeichen 274 (Geschwindigkeitstrichter) und dem Durchfahren des Baustellenbereichs geschlossen. Die örtlichen Verhältnisse einschließlich der Beschilderungssituation zur Tatzeit hat die Richterin ihrem Urteil als gerichtsbekannt zu Grunde gelegt.
II.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Er beantragt, das angefochtene Urteil in vollem Umfang aufzuheben und rügt die Verletzung sowohl formellen als auch materiellen Rechts. Verfahrensfehler sieht er in der Verletzung der §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG, 261 StPO, weil weder die als gerichtsbekannt verwerteten Tatsachen in die Hauptverhandlung eingeführt, noch der Eichschein für das Geschwindigkeitsmessgerät und die Ordnungswidrigkeitsanzeige in der Hauptverhandlung verlesen worden seien.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das Urteil schon auf die Sachrüge des Betroffenen hin aufzuheben, da es an einem Darstellungsmangel hinsichtlich der gefahrenen Geschwindigkeit leide. In Übereinstimmung mit dem Betroffenen in der Begründung seiner Sachrüge ist sie der Auffassung, es hätte die angewandte Messmethode und der vom Messergebnis in Abzug gebrachte Toleranzwert mitgeteilt werden müssen.
III.
Die gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG statthafte, in zulässigerweise eingelegte Rechtsbeschwerde (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO) ist begründet.
1.
Erfolg hat bereits die Verfahrensrüge, mit der der Betroffene die unterbliebene Einführung der als gerichtsbekannt verwerteten Tatsachen in die Hauptverhandlung beanstandet. Als gerichtskundig in die richterliche Überzeugungsbildung einbezogene Tatsachen müssen - nicht protokollierungspflichtig (BGHSt 36, 354) - in der Form Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen sein, dass das Gericht darauf hingewiesen hat, es werde diese Tatsachen möglicherweise als offenkundig seiner Entscheidung zu Grunde legen (BGH NStZ 1995, 246). Ansonsten wird...