Leitsatz (amtlich)
Für Versicherungsfälle ab dem 1.1.2008 gilt gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts die Zuständigkeitsregelung in § 215 VVG 2008. Art. 1 EGVVG begründet insoweit nicht die weitere Anwendbarkeit von § 48 VVG a.F.
Normenkette
VVG § 215; VVG a.F. § 48
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 07.10.2009; Aktenzeichen 16 O 306/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 16. Zivilkammer des LG Koblenz vom 7.10.2009 aufgehoben. Die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe wird dem LG übertragen. Das LG wird angewiesen, die Prozesskostenhilfe nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses erneut zu verweigern.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist begründet und hat einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Der angefochtene Beschluss bedarf einer Korrektur, soweit das LG seine Zuständigkeit verneint hat. Entgegen der Auffassung des LG ist bezüglich der gerichtlichen Zuständigkeit § 215 VVG 2008 auch für bereits im Jahr 2008 eingetretene Versicherungsfälle anzuwenden, so dass der Gerichtsstand am Wohnsitz des Antragstellers begründet ist.
Bei § 215 VVG 2008 handelt es sich um die Bestimmung eines weiteren Gerichtsstandes für Klagen aus dem Versicherungsvertrag und damit in der Sache um eine Vorschrift des Prozessrechts und nicht des materiellen Versicherungsrechts. Bezüglich der zeitlichen Geltung prozessrechtlicher Bestimmungen gilt, dass Prozessrecht grundsätzlich in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden ist; im Gegensatz zum materiellen Recht, dessen Anwendung durch Übergangsregelungen gesteuert wird, sind Übergangsregelungen im Verfahrensrecht unüblich (Rauscher in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl. Einleitung Rz. 408).
Eine Übergangsvorschrift, welche die Fortgeltung des § 48 VVG a.F. anordnet und das Inkrafttreten des § 215 VVG 2008 hinausschiebt, ist entgegen vielfach vertretener, jedoch jeweils nicht tragfähig begründeter Auffassung nicht in Art. 1 EGVVG zu sehen. Diese Bestimmung ordnet für eine begrenzte Zeit die Anwendung alten Rechts auf Versicherungsverhältnisse an, die vor dem 1.1.2008 entstanden sind. Die prozessuale Rechtsdurchsetzung wird damit schon vom Wortlaut nicht erfasst. Auch die verschiedenen Sonderregeln in Art. 1 Abs. 2 bis 4 und Art. 2 bis 6 EGVVG zeigen, dass der Gesetzgeber keine umfassende Weitergeltung des alten Rechts anordnen wollte. Es ist vielmehr eine differenzierende Betrachtung geboten. Entscheidend ist dabei, dass der Zweck der intertemporalen Kollisionsnormen - die Gewährung eines gewissen Vertrauensschutzes - im Fall des § 215 VVG n.F. nicht zutrifft. Ein Vertrauen in den Fortbestand der alten Gerichtsstandsregelung erscheint nicht schutzwürdig. Der zeitliche Anwendungsbereich des § 215 VVG 2008 richtet sich somit allein nach Art. 12 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, wonach das neue VVG am 1.1.2008 in Kraft tritt. Die Vorschrift ist daher auf alle ab dem 1.1.2008 erhobene Klagen anwendbar (Langheid/Wandt/Looschelders VVG § 215 Rz. 38 - 40; OLG Saarbrücken Beschluss v. 23.9.2008 Az: 5 W 220/08).
Da somit § 215 VVG 2008 entgegen der Auffassung des LG anwendbar ist, ist das LG Koblenz als Gerichtsstand des Antragstellers für die Entscheidung über die von ihm beabsichtigte Klage zuständig. Der angefochtene Beschluss kann damit keinen Bestand haben und ist aufzuheben.
Über die Frage, ob der beabsichtigten Klage im Übrigen hinreichende Erfolgsaussicht zukommt, hat zunächst das LG zu befinden, da dieses insoweit die Erfolgsaussicht noch nicht geprüft hat.
Fundstellen
MDR 2010, 1326 |
VersR 2010, 1356 |
VK 2010, 200 |