Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Ermittlung der Haftungsanteile beider kindesbarunterhaltspflichtiger Elternteile ist vorab vom Einkommen jedes Elternteils ein sog. Sockelbetrag in Abzug zu bringen.

Dieser Sockelbetrag entspricht grundsätzlich dem angemessenen Selbstbehalt (derzeit: 1.300 EUR). Das gilt auch dann, wenn dies die alleinige Barunterhaltspflicht eines der beiden Elternteile zur Folge hat. Auf den notwendigen Selbstbehalt ist erst im Mangelfall zurückzugreifen. Ein solcher liegt indes erst vor, wenn auch der angemessene Selbstbehalt des anderen Elternteils nicht mehr gewahrt ist.

2. In den Durchschnittsfällen richtet sich die anteilige Barunterhaltspflicht beider auf Kindesbarunterhalt haftender Elternteile allein nach deren Einkommens- und nicht zusätzlich auch nach deren Vermögensverhältnissen.

 

Verfahrensgang

AG St. Goar (Beschluss vom 14.04.2016; Aktenzeichen 51 F 274/15)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den ihm Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des AG - Familiengericht - St. Goar vom 14.04.2016 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist auch sonst zulässig, insbesondere gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 3, 567 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt. Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg, da das Familiengericht die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe zu Recht mangels Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung versagt hat.

Im vorliegenden Verfahren erstrebt der Antragsteller den Wegfall seiner titulierten Kindesunterhaltspflicht nach Erreichen der Volljährigkeit des Antragsgegners. Im Frühjahr 2016 hat der Antragsgegner zudem das Abitur abgelegt.

A. 26.11.2015 bis zum Ablegen des Abiturs:

Der Antragsgegner ist vor dem hier in Rede stehenden Abänderungszeitpunkt volljährig geworden.

Der Antragsteller bezieht wie seinerzeit im Jahre 2008 bei Errichtung des Unterhaltstitels eine Rente wegen voller Erwerbsminderung - derzeit rund 750 EUR. Irrelevant ist, ob er bei seinem Vater mietfrei wohnt. Denn insoweit würde es sich um eine unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigende freiwillige Leistung Dritter handeln (KoL Nr. 8).

Zutreffend ist damit zwar zunächst, dass sich in den Einkommensverhältnissen des Antragstellers wohl keine nach § 239 FamFG relevante Änderung ergeben hat. Mit Erreichen der Volljährigkeit haftet jedoch auch die Mutter des Antragsgegners für dessen Barunterhalt (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB). Allein auf diesen Umstand kann ein Abänderungsantrag zulässigerweise gestützt werden. Denn nunmehr obliegt es dem volljährig gewordenen Kind, den Fortbestand der Haftung des Titelschuldners aufzuzeigen (OLG Koblenz FamRZ 2007, 653, OLG Köln FamRZ 2012, 438, OLG Brandenburg FamRZ 2002, 1049 und OLG Hamm FamRZ 2003, 1025). Entgegen der Ansicht des Antragsgegners kommt es auch nicht darauf an, ob dieser noch bei seiner Mutter wohnt und von dieser betreut bzw. versorgt wird. Allenfalls hat seine Mutter in diesem Fall wiederum ein Kostgeldanspruch gegen den volljährigen Antragsgegner.

Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen seiner Mutter gibt der Antragsgegner mit rund 2.140 EUR an (Bl. 125 d.A.). Hiervon in Abzug zu bringen sind 158 EUR Fahrtkosten für 15,83 km, nicht jedoch darüber noch ein pauschaler Berufsaufwand. Denn der Berufsaufwand kann entweder pauschal mit 5 % (hier 107 EUR) oder konkret (hier in Form der Fahrtkosten) berücksichtigt werden. Steuererstattung und -vorauszahlungen heben sich in etwa auf, wobei letztere ohnehin wohl durch das Einkommen des neuen - mittlerweile getrennt lebenden - Ehemanns der Kindesmutter veranlasst sein dürften. Sie können hier daher insgesamt außen vor gelassen werden. Gleiches gilt für die nach den Angaben des Antragsgegners nur marginalen Kapitaleinkünfte. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dürfte die Kindesmutter sodann nicht nur nicht in nennenswerten Maße, sondern nach den vorliegenden Unterlagen mangels Vermietungs-/Verpachtungsobjekt überhaupt keine haben.

Dem sich danach zunächst ergebenden Einkommen von 1.982 EUR (2.140 EUR - 158 EUR) ist jedoch ein Wohnwert hinzuzurechnen. Dieser ermittelt sich nicht gemäß der antragsgegnerseits vorgenommenen Vollamortisationsberechnung, sondern als Produkt aus Wohnfläche und Quadratmetermietpreis. Das Objekt soll (ohne Belastungen) 200.000 EUR wert sein und über eine Wohn-

fläche von 133qm verteilt auf sechs Zimmer verfügen (Bl. 86 Rs. d.A.). Mangels näherer Angaben kann somit der durchschnittliche Mietwert angesetzt werden. Für Wohnungen in dieser Größe beträgt dieser in...[Z] 5 EUR/qm (vgl.: https://www.immowelt.de/immobilienpreise/detail ...). Nachdem es hier aber um ein Einfamilienhaus geht, ist der Betrag maßvoll auf 6 EUR/qm zu erhöhen. Folglich ergibt sich ein Wohnwert von rund 800 EUR. Unerheblich ist entgegen der Meinung des Antragsgegners, dass es seiner Mutter nicht zuzumuten sei, aus dem Haus auszuziehen und diese dort mit drei weiteren minderjährigen K...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?