Leitsatz (amtlich)
Zur - hier bejahten - Ersatzhaftung des betreuenden Elternteils und dem damit einhergehenden Wegfall der gesteigerten Unterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils eines minderjährigen oder eines diesem gleichgestellten Kindes.
Weder ein schwangerschaftsbedingtes Beschäftigungsverbot noch der Mutterschutz führen regelmäßig zu einem Einkommensverlust.
Normenkette
MuSchG § 13 Abs. 1; BGB § 1603 Abs. 2 S. 3; MuSchG § 11; SGB V § 24i
Verfahrensgang
AG Wittlich (Beschluss vom 24.05.2016) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Wittlich vom 24.05.2016 abgeändert. Der Unterhaltsantrag wird abgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten beider Rechtszüge.
3. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.600 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Im vorliegenden Verfahren nimmt der am... 2012 geborene Antragsteller seinen Vater auf Zahlung von Mindestkindesunterhalt ab Januar 2016 in Anspruch. Die Kindesmutter ist seit... 2016 verheiratet und erwartet aus dieser Ehe im nächsten Jahr ein weiteres Kind.
Der Antragsgegner ist gelernter Einzelhandelskaufmann und Mediengestalter in Bild und Ton. Während er seine Tätigkeit in dem letztgennannten Beruf nach ca. sechsjähriger Beschäftigungszeit im Jahr 2010 infolge Auflösung seiner Abteilung und Insolvenz seines Arbeitgebers verlor, arbeitete er als Einzelhandelskaufmann zunächst kurze Zeit nach dem Ende seiner Lehre und sodann wieder befristet für die Dauer von etwa zwei Jahren ab 2010/2011. Dabei verdiente er dort zuletzt rund 1.800 EUR/mtl. (brutto). Anschließend wechselte er im Einvernehmen mit der Kindesmutter, seiner damaligen Lebensgefährtin, am 01.05.2012 zur Bundeswehr. Dort hat er eine Festanstellung als ungelernte Lagerkraft.
Das Familiengericht hat den Antragsgegners zur Zahlung des begehrten Mindestkindesunterhalts verpflichtet. Zwar verfüge der Antragsgegner lediglich über einen bereinigten monatlichen Nettoverdienst von 921,54 EUR. Aufgrund seiner gesteigerten Unterhaltspflicht müsse er sich jedoch um eine besser dotierte Stelle bemühen und könne zudem 400 EUR/mtl. hinzuverdienen. Aufgrund seiner Qualifikationen sei bei einer Nebentätigkeit ein Stundenlohn von 15 EUR anzusetzen. Selbst wenn man lediglich von 10 EUR ausgehe, genüge indes eine Nebentätigkeit von 8 Stunden pro Woche. Diese sei dem Antragsgegner neben seiner Vollzeitbeschäftigung und dem Umgang mit dem Antragsteller zumutbar, da er lediglich montags bis freitags von 6.30 Uhr bis 15.30 Uhr arbeite. Eine Ersatzhaftung der Kindesmutter scheide aus. Denn deren Einkommen liege gerade einmal 61,81 EUR über ihrem angemessenen Selbstbehalt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, mit welcher dieser seinen erstinstanzlichen Abweisungsantrag weiter verfolgt. Während er kein über seinem derzeitigen Verdienst bei der Bundeswehr hinausgehendes Einkommen erzielen könne, sei sehr wohl eine Ersatzhaftung der Kindesmutter wegen eines erheblichen finanziellen Ungleichgewichts gegeben. Die Kindesmutter habe außergerichtlich wie auch im vorliegenden Verfahren nicht ausreichend Auskunft über ihr Einkommen und Vermögen erteilt. Soweit sie im Termin am 03.05.2016 Angaben zu ihrem Nettoeinkommen gemacht habe (etwas mehr als 2.000 EUR netto, Bl. 60 d.A.), habe sie gelogen, da sie von Januar bis Juni 2016 tatsächlich bereits im Durchschnitt 2.367,92 EUR/mtl. netto verdient habe. Von daher nehme er, der Antragsgegner, sie parallel in einem weiteren Gerichtsverfahren (AG Wittlich Az...) auf Auskunft in Anspruch. Vor einer entsprechenden Auskunftserteilung hätte das Familiengericht den Kindesunterhaltsantrag nicht bescheiden dürfen. Von dem Nettoeinkommen der Kindesmutter seien allenfalls der pauschale Berufsaufwand und ein Studienkredit mit 210 EUR/mtl. abzuziehen, wobei Zahlungen hierauf zu bestreiten seien. Nicht in Ansatz gebracht werden könne eine restliche Finanzierung der vormals beiden Kindeseltern gehörenden Immobilie. Denn diese hätte die Kindesmutter ebenso wie er, der Antragsgegner, aus dem Verkaufserlös ablösen können. Darüber hinaus sei die Kindesmutter Miteigentümerin einer Immobilie... in W. Dieses Anwesen verfüge über zwei Wohnungen mit einer Fläche von ca. 100 qm und ca. 70 qm. Folglich erhöhe sich das Einkommen der Kindesmutter um Mieteinnahmen von je 500 EUR/mtl. Während eine Auskunft der Kindesmutter zu erhaltenen Steuerrückzahlungen fehle, sei ihr noch ein Wohnvorteil zuzurechnen. Somit ergebe sich mindestens ein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen von 2.262,20 EUR während der Selbstbehalt um 10 % zu reduzieren sei. Denn der neue Ehemann der Kindesmutter verfüge über eigenes hohes Einkommen. Auskünfte hierzu fehlten trotz möglicher Familienunterhaltsansprüche. Aus letztgenanntem Grund stelle auch das mietfreie Wohnen in dessen Haus keine freiwillige Leistung Dritter dar.
Sein Einkommen präzisiert der Antragsgegner nunmehr dahin, dass dieses 1.728,60 EUR (brutto) betrage. Lediglich in den Monaten November 2015 ...