Leitsatz (amtlich)

Finden zwischen einem schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts und den schriftsätzlichen Annahmeerklärungen der Parteien (§ 278 Abs. 6 ZPO) anwaltliche Erörterungen statt, wird das durch die Prozessgebühr abgegolten. Daneben entsteht keine Erörterungsgebühr.

– gegen Enders in JurBüro 2003, 2 und Siemon in MDR 2003, 62 –

 

Normenkette

BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 4, § 35; ZPO § 278 Abs. 6

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 13.05.2003; Aktenzeichen 5 O 309/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 13.5.2003 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Der Beschwerdewert beträgt 274,46 Euro (= 70 % von 338 Euro nebst Mehrwertsteuer).

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Das fristgemäß eingelegte Rechtsmittel ist in der Sache ohne Erfolg. Der Rechtspfleger hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf anteilige Erstattung einer anwaltlichen Erörterungsgebühr gem. § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO hat. Eine solche Gebühr ist nämlich nicht erfallen.

1. Sie konnte nicht dadurch ausgelöst werden, dass die Parteivertreter die Sach- und Rechtslage telefonisch erörterten, bevor es auf der Grundlage des § 278 Abs. 6 ZPO zu einem Vergleichsschluss kam. Die Erörterungsgebühr ist, wie § 31 Abs. 2 BRAGO deutlich macht, der Verhandlungsgebühr des § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO gleichgestellt und wird deshalb nur dann verdient, wenn die Erörterung in einem gerichtlichen Termin stattfindet (OLG Düsseldorf JurBüro 1985, 82 [83]; ÖLG Koblenz JurBüro 1983, 562 [563]; OLG München JurBüro 1976, 775 [776]; von Eicken in Gerold/Schmidt, BRAGO, 15. Aufl., § 31 Rz. 148; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., Erörterungsgebühr 3.1). Außerhalb eines Termins geführte Auseinandersetzungen und Verhandlungen werden durch die Prozessgebühr des § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO abgegolten (Keller in Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 31 Rz. 80). Münden sie in einen den Rechtsstreit beendenden Vergleich ein, erhält der Anwalt darüber hinaus die Vergleichsgebühr des § 23 Abs. 1 S. 3 BRAGO. Wenn sich ein Vergleichsschluss nicht von vornherein anbietet, sondern möglicherweise nur nach langen Diskussionen und unter Mühen herbeigeführt werden kann, rechtfertigt das keine Zusatzvergütung; es entspricht allgemeinen gebührenrechtlichen Grundsätzen, dass sich das Anwaltshonorar für prozessbezogene Tätigkeiten nicht nach dem im Einzelfall entstandenen Arbeitsaufwand richtet.

2. Aus der Sondervorschrift des § 35 BRAGO lässt sich für den vorliegenden Fall nichts Abweichendes herleiten (Senatsbeschluss vom 20.6.2003 – 14 W 411/03; OLG München JurBüro 2003, 248; OLG Schleswig JurBüro 2003, 301; a.A. Enders JurBüro 2003, 1 [2]; Siemon MDR 2003, 61 [62 f.]). Nach dieser Bestimmung wird ein Rechtsanwalt in einem Verfahren, in dem eigentlich mündlich verhandelt werden müsste und in dem das Gericht dann im Einverständnis der Parteien ausnahmsweise ohne mündliche Verhandlung entscheidet, gebührenrechtlich so gestellt, als ob eine mündliche Verhandlung stattgefunden hätte.

So war es hier indessen nicht: Zum einen fehlt es an einer gerichtlichen Entscheidung. Es ist lediglich ein Beschluss nach § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO ergangen. Dadurch wurde der Parteistreit weder abschließend noch vorbereitend entschieden, sondern es wurde nur im Sinne einer Protokollierung zum Ausdruck gebracht, dass sich die Parteien gütlich geeinigt haben. Zum anderen bedurfte es zu dieser Beschlussfassung nach dem gesetzlichen Leitbild grundsätzlich keiner mündlichen Verhandlung. Es entsprach vielmehr der Vorstellung des Gesetzgebers, von ihr abzusehen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 279 Rz. 24).

3. Der Kostenausspruch beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung die Rechtsbeschwerde zuzulassen, ist gem. § 574 Abs. 3 S. 1 ZPO geboten, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Ihre Problematik ist Folge der Neuregelung in § 278 Abs. 6 ZPO und tritt in einer Vielzahl von Fällen auf. Eine höchstrichterliche Klärung steht, soweit ersichtlich, noch aus.

Kaltenbach Dr. Menzel Weller

 

Fundstellen

Haufe-Index 1107923

FamRZ 2004, 1740

NJW-RR 2004, 66

JurBüro 2003, 533

Rpfleger 2003, 690

VersR 2004, 881

BRAGOreport 2003, 197

KammerForum 2003, 409

OLGR-KSZ 2003, 412

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge