Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht des Betroffenen zum Erscheinen in der Hauptverhandlung bei Aussageverweigerung
Leitsatz (redaktionell)
Hat der Betroffene angekündigt, in der Haupthandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen, so ist er auf seinen Antrag von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu entbinden. Allein die spekulative Erwägung, er könne seinen Entschluss, nicht auszusagen, überdenken, reicht nicht aus, um die Entbindung von der sich zum persönlichen Erscheinen abzulehnen. Die Frist zum persönlichen Erscheinen des sich auch nicht damit rechtfertigen, dass das Gericht sich einen persönlichen Eindruck für die Frage, ob Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorlag, verschaffen wolle.
Verfahrensgang
AG Bad Kreuznach (Entscheidung vom 01.03.2007) |
Gründe
Die Kreisverwaltung ... verhängte gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 20. Juni 2006 wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Wirkung berauschender Mittel (§ 24 a Abs. 2 StVG) eine Geldbuße in Höhe von 250 EUR sowie ein Fahrverbot von der Dauer eines Monats. Auf den Einspruch des Betroffenen bestimmte das Amtsgericht Bad Kreuznach Termin zur Hauptverhandlung auf den 1. März 2007. Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2007 beantragte die Verteidigung, den Mandanten von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden. Die Fahrereigenschaft werde zugestanden, der Betroffene würde im Hauptverhandlungstermin von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen und die Verteidigung sei befugt, selbständig zur Sache vorzutragen. Das Amtsgericht lehnte den Antrag am 6. Februar 2007 ab. Dem gleichlautenden Entbindungsantrag vom 23. Februar 2007 gab es mit Beschluss vom 26. Februar 2007 ebenfalls nicht statt. Im Hauptverhandlungstermin vom 1. März 2007 blieb der Betroffene aus. Für die Verteidigung erschien mit Untervollmacht Referendar L....
Mit Urteil von demselben Tage hat das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Seine Auffassung, dass das Erscheinen des Betroffenen im Termin zur Aufklärung wesentlicher Aspekte des Sachverhalts erforderlich gewesen wäre, hat es wie folgt begründet:
"Das Gericht hält an seiner bisherigen Auffassung fest, dass ein Erscheinen des Betroffenen zur Aufklärung wesentlicher Aspekte des Sachverhalts erforderlich gewesen wäre. Insofern wird auf die wiedergegebenen Begründungen der Beschlüsse vom 26.02.2007 und vom 06.02.2007 Bezug genommen. Das Gericht hat zuverlässigere Angaben der Zeugin R... im Fall einer Gegenüberstellung mit dem Betroffenen erwartet, da die Anwesenheit des sonst u.U. anonymen Postkunden ihre Erinnerungen an den Betroffenen und damit an den von der Verteidigung in Frage gestellten Zustellungsvorgang erhöht hätte. Der Betroffene stützt seinen Einspruch im Wesentlichen darauf, dass ihm der Bußgeldbescheid, anders als in der Postzustellungsurkunde, die von der Zeugin R... am 24.06.2006 ausgestellt wurde, beurkundet, nicht an seinem neuen Wohnort in N... zugestellt wurde. Dies widerspricht der sich aus der Postzustellungsurkunde ergebenden Vermutung. Dort ist im Adressfeld ein Berichtigungsvermerk vom 23.06.2006, der mit einem Kürzel, das mit der Unterschrift unter Ziff. 13.3 (Unterschrift des Zustellers) offensichtlich nicht identisch ist, die neue Adresse eingetragen worden. Unter diesen Umständen wäre eine Gegenüberstellung auch insoweit zur Aufklärung des Sachverhalts angezeigt gewesen, als der Betroffene möglicherweise zusätzliche Erklärungen zur Aussage der Zeugin R... hätte abgeben wollen. Möglicherweise hätte sich der Sachverhalt dabei auch in einer Weise geklärt, die nicht darauf hinausläuft, dass die Zeugin R... falsch beurkundet hat. Dies ist in der bisherigen Einlassung des Betroffenen impliziert.
Für die Würdigung der nach Aktenlage voraussichtlich divergierenden Angaben des Betroffenen und der Zeugin R... wäre weiterhin die unmittelbare persönliche Reaktion des Betroffenen auf den ihm zu machenden Vorhalt, dass die Meldedaten von seinen Angaben abweichen, relevant gewesen. Der Betroffene lässt vortragen, er habe sich am 01. Mai 2006 umgemeldet. Dem widerspricht der im EWOIS gespeicherte Datensatz; danach erfolgte der Wohnungswechsel erst zum 01. Juni 2006.
Das Gericht hält weiterhin daran fest, dass im Hinblick auf die offene Frage des Verschuldensgrades eine weitere Aufklärung bei Anwesenheit des Betroffenen möglich gewesen wäre. Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der Betroffene unmittelbar im Griffbereich, nämlich in der Mittelkonsole des von ihm geführten Fahrzeugs, Amphetamin bei sich führte. Insofern stellt sich aus Sicht des Gerichts die im Beschluss vom 06.02.2007 angesprochene Frage des Grades des Verschuldens. Hier wäre ein persönlicher Eindruck vom Betroffenen möglicherweise für die Frage, ob Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorliegt, hilfreich gewesen. Zudem hätten sich hierzu bzw. zu den hierauf bezogenen Aussagen des kontrollierenden Polizeibeamten, des Zeugen B..., möglicherweise noch Fragen ergeben, auf die der Be...