Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweissicherungsantrag eines Soldaten nach misslungenem Heileingriff
Leitsatz (amtlich)
1. Ein misslungener ärztlicher Heileingriff oder ein sonstiger ärztlicher Behandlungsfehler im Rahmen des Wehrdienstverhältnisses stellt eine Wehrdienstbeschädigung nach § 81 Abs. 1 SVG mit der Folge entsprechender Ansprüche des Geschädigten nach § 85 SVG dar.
2. Die Zulässigkeit eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland lässt sich in einem derartigen Fall nicht unter Hinweis auf die Beschränkung des § 91a SVG verneinen, wenn offen ist, ob ein positiver und bindender Anerkennungsbescheid ergeht.
3. Gleiches gilt, wenn Ansprüche nach dem SVG entfallen und die allgemeinen Ansprüche wieder aufleben können.
Normenkette
GG Art. 34; SVG §§ 81, 85, 91a; ZPO § 485; BGB §§ 823, 847
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 14.07.2006; Aktenzeichen 10 OH 14/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der den Antrag auf Beweissicherung zurückweisende Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Koblenz vom 14.7.2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das LG zurückverwiesen.
Das LG wird angewiesen, den Antrag nicht aus Gründen fehlenden rechtlichen Interesses zurückzuweisen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist begründet. Die Zurückverweisung beruht auf § 572 Abs. 3 ZPO.
Die Ablehnung des auf Beweissicherung gerichteten Antrags lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass es an dem erforderlichen rechtlichen Interesse (vgl. § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO) auf Seiten des Antragstellers fehlt.
1. Das rechtliche Interesse an den Feststellungen durch einen Sachverständigen ist weit zu fassen.
Die neuere Rechtsprechung verneint das rechtliche Interesse nur dann, wenn kein Rechtsverhältnis, kein möglicher Prozessgegner oder kein Anspruch ersichtlich ist (Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 485 Rz. 7, m.w.N.). Vermieden werden muss eine in das Hauptsacheverfahren gehörende - tief greifende - Schlüssigkeits- und Erheblichkeitsprüfung (Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 485 Rz. 7, m.w.N.). Eine ganz offensichtliche Aussichtlosigkeit des Rechtsschutzbegehrens kann hier nicht festgestellt werden (vgl. dazu auch BGH NJW 2004, 3488).
2. Die Behandlung des Klägers im Bundeswehrzentralkrankenhaus der Beklagten und in deren Auftrag war Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe und erfolgte damit in Ausübung eines öffentlichen Amtes i.S.d. Art. 34 GG vgl. BGH v. 29.2.1996 - III ZR 238/94, NJW 1996, 2431; OLG Koblenz MedR 2001, 422). Zutreffend geht das LG davon aus, dass gesundheitliche Nachteile, die die durch eine (fehlerhafte) Behandlung entstanden sind, Wehrdienstbeschädigungen i.S.d. § 85 SVG darstellen können (BGH v. 29.2.1996 - III ZR 238/94, NJW 1996, 2431; v. 12.11.1992 - III ZR 19/92, MDR 1994, 108 = NJW 1993, 1529). Die Beschränkung des § 91a SVG erfasst alle Schadenspositionen, für die das SVG nicht ausdrücklich einen Ausgleich vorsieht. Das gilt insb. für Schmerzensgeld.
Allerdings beseitigt § 91a SVG die materiellen Ersatzansprüche nach allgemeinen Vorschriften gegen den Dienstherrn nicht von Grund auf, sondern schränkt sie lediglich der Höhe nach ein (Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staathaftungsrechts, 2005, Rz. 231, 232, 612 ff., m.w.N.).
Im derzeitigen Stadium ist völlig unklar, ob ein positiver und bindender Bescheid (BGH v. 29.2.1996 - III ZR 238/94, NJW 1996, 2431 [2432]) über die Anerkennung als Wehrdienstbeschädigung überhaupt ergeht und mit welchem Inhalt. Ergeht ein bindender Bescheid nicht, ist das Zivilgericht gehalten, eigenständig zu prüfen, ob eine Wehrdienstbeschädigung vorliegt und, bejahendenfalls, welche Ansprüche nach § 91a SVG ausgeschlossen sind.
Eine solche Prüfung darf nicht vorgelagert im selbständigen Beweisverfahren erfolgen.
3. Darüber hinaus ist zur Anspruchsbeschränkung auf Folgendes hinzuweisen:
Die Höhe einer eventuellen Wehrdienstbeschädigung steht offen. Liegen nur geringfügige Gesundheitsstörungen vor, können Ansprüche nach dem SVG entfallen und die allgemeinen Ansprüche wieder aufleben (Fehl/Förster/Leisner/Sailer, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl., § 91a SVG Rz. 2; Riecker, VersR 1989, 782).
Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat das LG zu entscheiden.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus der "Berühmung" des Antragstellers (BGH NJW 2004, 3488).
Fundstellen
Haufe-Index 1600831 |
NVwZ-RR 2007, 114 |
MedR 2007, 252 |
GesR 2007, 116 |
OLGR-West 2007, 48 |