Leitsatz (amtlich)
1. Einem rechtzeitig gestellten Antrag einer Partei auf Ergänzung des Gutachtens oder Ladung des Sachverständigen zu dessen mündlicher Erläuterung muss das Gericht nachgehen, auch wenn es die bisherige Begutachtung für ausreichend und überzeugend hält (Anschluss an BGH NJW-RR 2001, 1431).
2. Im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens findet weder eine Schlüssigkeitsprüfung des behaupteten Anspruchs respektive Rechtsverhältnisses noch eine Prüfung der Erheblichkeit des Beweismittels für das etwa nachfolgende Verfahren in der Hauptsache statt (Anschluss an BGH NJW 2004, 3488).
Normenkette
ZPO § 485 Abs. 1-2, § 492 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 11.07.2013; Aktenzeichen 15 OH 10/12) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Einzelrichterin der 15. Zivilkammer des LG Koblenz vom 11.7.2013 abgeändert.
Der Sachverständige soll zur Ergänzung seines Gutachtens 2.5.2013 (Bl. 100 ff. GA) noch zu den Fragen im Schriftsatz des Antragstellers vom 22.5.2013 (Bl. 141 ff. GA) Stellung nehmen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 7.120 EUR festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 490 Abs. 1 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO; vgl. Herget in Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 490 Rz. 4) und auch im Übrigen zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg.
Das LG hat zu Unrecht den - fristgerechten - Antrag auf schriftliche Ergänzung des Sachverständigengutachtens (§ 411 Abs. 3 und 4 i.V.m. § 492 Abs. 1 ZPO) zurückgewiesen; das selbständige Beweisverfahren ist noch nicht beendet.
Die Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren erfolgt nach den allgemeinen Vorschriften über das Beweisverfahren (§ 492 Abs. 1 ZPO). Einem rechtzeitig gestellten Antrag einer Partei auf Ergänzung des Gutachtens oder Ladung des Sachverständigen zu dessen mündlicher Erläuterung muss das Gericht nachgehen, auch wenn es die bisherige Begutachtung für ausreichend und überzeugend hält (st. Rspr.; vgl. BGH NJW-RR 2001, 1431, OLG Celle BauR 2009, 1476 Tz. 5; OLG Düsseldorf BauR 2012, 1989 Tz. 5; Greger in Zöller, a.a.O., § 411 Rz. 5a). Die Partei hat zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO einen Anspruch darauf, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur (mündlichen oder schriftlichen) Beantwortung vorlegen kann; von ihr darf nicht verlangt werden, den Erläuterungsbedarf nachvollziehbar darzulegen (vgl. BGH BauR 2007, 1610).
Mit diesen Grundsätzen steht die angefochtene Entscheidung nicht im Einklang. Soweit Beschränkungen des Antragsrechts unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs oder der Prozessverschleppung zugelassen sind (vgl. BGH NJW-RR 2003, 208 Tz. 7; BauR 2007, 1610 Tz. 3; Greger, a.a.O.), liegt ein derartiger Ausnahmefall hier nicht vor. Der Antragsteller verfolgt zur beabsichtigten Rückabwicklung eines Neuwagenkaufs die (sachverständige) Feststellung eines bei Gefahrübergang vorhandenen und fortbestehenden Sachmangels (§§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 2 BGB). Die Bestimmung des § 485 Abs. 2 ZPO lässt eine von einem Beweissicherungsbedürfnis i.S.d. § 485 Abs. 1 ZPO unabhängige Erhebung des Sachverständigenbeweises zu. Voraussetzung ist lediglich, dass der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der zu treffenden Feststellung hat; ein solches ist nach § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO (insbesondere; vgl. Herget, a.a.O., § 485 Rz. 7a) anzunehmen, wenn - wie hier - die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Der Begriff des rechtlichen Interesses ist weit zu verstehen; es darf regelmäßig nur in evidenten Fällen verneint werden. Im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens findet weder eine Schlüssigkeitsprüfung des behaupteten Anspruchs respektive Rechtsverhältnisses noch eine Prüfung der Erheblichkeit des Beweismittels für das etwa nachfolgende Verfahren in der Hauptsache statt (eingeschränkte Prüfungskompetenz; vgl. BGH NJW 2004, 3488 ff.; OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 1725, 1726; Herget, a.a.O., Rz. 7 ff.).
Fundstellen