Leitsatz (amtlich)
1. Wechselbezüglich sind Verfügungen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde Da über die Wechselbezüglichkeit der Wille der Testierenden entscheidet, muss er in Zweifelsfällen mit dem Mittel der Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen erforscht werden.
2. § 2270 Abs. 2 BGB enthält eine Auslegungsregel, die allerdings nur dann Anwendung findet, wenn die Auslegung keine Klarheit über den Verknüpfungswillen gebracht hat. Im Rahmen der Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments muss der gesamte Inhalt der Erklärungen einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen, als Ganzes gewürdigt werden. Bei der Ermittlung des Erblasserwillens muss auch die Lebenserfahrung berücksichtigt werden, dass beim Fehlen verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen dem zuerst verstorbenen Ehemann und dem eingesetzten Schlusserben dem Längstlebenden das Recht zustehen soll, die Erbfolge anderweitig festzulegen.
3. Zur Auslegung des Begriffs "Näheverhältnis".
Normenkette
BGB § 2270 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 15.12.2005; Aktenzeichen 6 O 203/05) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Trier - Einzelrichter - vom 15.12.2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
1. Schreiben an Partei-Vertreter, Beklagten-Vertreter - EB - Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Der Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 7.11.2006. Es wird um Mitteilung gebeten, ob die Berufung aufrechterhalten bleibt.
Das LG hat zu Recht der Klageforderung entsprochen. Die Erblasserin war durch das gemeinschaftliche Testament der Eheleute Sch. vom 29.10.1980 nicht gehindert, die Kläger als Vermächtnisnehmer einzusetzen. Dies wäre, wie das LG zu Recht ausführt, nur der Fall, wenn die unbedingte Schlusserbeneinsetzung der Beklagten im gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich zu einer Verfügung des vorverstorbenen Dr. J. Sch. wäre. Wechselbezüglich sind Verfügungen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde (BGH v. 16.6.1987 - IVa ZR 74/86, NJW-RR 1987, 1410; RGZ 170, 163 [172]; BayObLG v. 5.8.1983 - BReg.1 Z 25/83, BayObLGZ 1983, 213 [216 f.]; BayObLG NJWE-FER 1999, 216). Da über die Wechselbezüglichkeit der Wille der Testierenden entscheidet, muss er in Zweifelsfällen mit dem Mittel der Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen erforscht werden (BGH v. 16.6.1987 - IVa ZR 74/86, NJW-RR 1987, 1410, m.w.N.). Eine erneute Verfügung von Todes wegen nach § 2271 Abs. 1 BGB wäre dann ausgeschlossen. Das gemeinschaftliche Testament der Eheleute Sch. vom 29.10.1980 enthält keine klare und eindeutige Anordnung zur Wechselbezüglichkeit der darin getroffenen Verfügungen. Bei Ermittlung des Erblasserwillens muss auch die Lebenserfahrung berücksichtigt werden, dass beim Fehlen verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen dem zuerst verstorbenen Ehemann und dem eingesetzten Schlusserben dem Längstlebenden das Recht zustehen soll, die Erbfolge anderweitig festzulegen (Bamberger/Roth-Litzenburger, BGB Kommentar 2003, § 2270 Rz. 8; BayObLG NJWE-FER 2001, 128 [129]). Der Umstand, dass die Eheleute Scheer ein gemeinschaftliches Testament errichtet haben, reicht nicht für die Annahme der Wechselbezüglichkeit der darin enthaltenen Verfügungen. Bei der Beklagten handelt es sich um die Nichte der Erblasserin Margarete Sch.. zu deren vorverstorbenen Ehemann Dr. J. Sch. bestand kein Verwandtschaftsverhältnis. Es ist deshalb nicht nahe liegend, dass die Erbeinsetzung der Erblasserin Margarete Sch. durch ihren vorverstorbenen Ehemann Dr. J. Sch. nur deshalb erfolgte, weil diese wiederum ihre Nichte als Schlusserbin eingesetzt hatte. Die Schlusserbenstellung der Beklagten in dem gemeinschaftlichen Testament ist unabhängig von einer letztwilligen Verfügung des Vorverstorbenen Dr. J. Sch. zu sehen. Der Erblasserin stand es frei, ihre frühere gemeinschaftlich mit ihrem vorverstorbenen Ehemann getroffene Verfügung durch eine neue Verfügung abzuändern.
Die von der Berufung gegen diese Auslegung vorgebrachten Argumente rechtfertigen keine andere Beurteilung. Dass die Erblasserin vor der Ehe angeblich so gut wie kein Vermögen hatte, ist für die Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments unerheblich, ebenso dass die Eltern und die Erblasserin vor der Eheschließung in Vermögensverfall geraten seien. Dem Beweisangebot, Vernehmung der Zeugen Neuburger und Fries, ist nicht nachzugehen. Auch die (bestrittene) Behauptung der Beklagten, das gemeinschaft...