Leitsatz (amtlich)
1. Sinn und Zweck der nach § 56 c StGB möglichen Weisungen liegt darin, dem Verurteilten Hilfestellung auf dem Weg in eine straffreie Lebensführung zu bieten, ihn spezialpräventiv zu beeinflussen und so seine Resozialisierung zu fördern. Aus Gründen bloßer Sicherung oder Überwachung oder zum Zweck einer Präventiven polizeilichen Gefahrenabwehr dürfen Weisungen nicht ergehen.
2. Nachträgliche Weisungen kommen nur im Fall einer nachträglichen Änderung im Verhalten oder in den persönlichen Verhältnisse der Verurteilten oder sonst neu hervorgetretener Tatsachen in Betracht. Dass das Gericht bei im Wesentlichen unveränderter Sachlage lediglich eine andere Bewertung vorgenommen hat, reicht nicht aus.
3. Spezialpräventive Weisungen können auch auf die Verhinderung von Straftaten gerichtet sein, die ihrer Art nach in keinem Zusammenhang mit den abgeurteilten Straftaten stehen.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Entscheidung vom 11.11.2010; Aktenzeichen 7 BRs 46/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez vom 11. November 2010 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I. Das Landgericht K. verurteilte den Beschwerdeführer am 15. Januar 2007 wegen Betruges in 311 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Jahren und sechs Monaten. Zwei Drittel der Strafe waren am 16. Juni 2010 vollstreckt. Mit Beschluss vom 13. Juli 2010 setzte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Ko. die Vollstreckung des Strafrestes gemäß § 57 Abs. 1 StGB auf die Dauer von vier Jahren zur Bewährung aus, unterstellte den Verurteilten für diese Zeit der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers und erteilte ihm die nachstehenden Weisungen:
a) Er hat nach seiner Entlassung in der ...-Straße 6 in ... festen Wohnsitz zu nehmen und sich dort - falls noch nicht geschehen - binnen drei Werktagen polizeilich anzumelden.
b) Er hat sich um eine versicherungspflichtige Tätigkeit zu bemühen. Im Falle der Arbeitslosigkeit hat er sich unverzüglich bei der für seinen Wohnort zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Vermittlung von Arbeit zuständigen Stelle als arbeitslos und arbeitsuchend zu melden.
c) Er darf seinen Wohnsitz nur nach vorheriger Rücksprache mit seinem Bewährungshelfer wechseln.
d) Er hat zudem jeden Wechsel des Wohnsitzes binnen drei Werktagen schriftlich der Strafvollstreckungskammer ... mitzuteilen.
Die Entlassung aus der Strafhaft erfolgte am 19. Juli 2010.
Mit Telefax vom 13. September 2010 teilte das Hessische Landeskriminalamt der Strafvollstreckungskammer mit, dass der Verurteilte bei der dortigen Dienststelle im Rahmen des Konzepts ZÜRS (Zentralstelle zur Überwachung rückfallgefährdeter Sexualstraftäter) bearbeitet werde. In Anbetracht der dem Schreiben beigefügten polizeilichen Gefährdungsbewertung des Probanden, aufgrund derer von Rückfallgefahr im Hinblick auf die Begehung von Sexualstraftaten auszugehen sei, erachtete die Behörde folgende Weisungsergänzungen als sinnvoll und bat um Prüfung und weitere Veranlassung:
- Verbot Internetanschluss und Besitz von Bildaufzeichnungsgeräten (waren in der Vergangenheit Tatmittel)
- Verbot, sich an Orten aufzuhalten, an denen regelmäßig Kinder ohne Aufsicht anzutreffen sind, insbesondere nicht an Spielplätzen, öffentlichen Schwimmbädern, allgemein genutzten Strandbädern oder Badeseen, Schulen, Kindertagesstätten oder vergleichbaren Einrichtungen
- generelles Kontaktverbot zu Personen unter 18 Jahren (ausgenommen sind die behördlich begleiteten Besuche der eigenen Kinder einmal im Monat für zwei Stunden)
- Prüfung eines Ausreiseverbots aus Deutschland und Entziehung des Reisepasses (wenn vorhanden).
Nach Anhörung von Staatsanwaltschaft, Verurteiltem und Bewährungshelferin hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 11. November 2010 dem Verurteilten in Ergänzung ihres Beschlusses vom 13. Juli 2010 folgende weitere Weisungen erteilt:
e) Dem Verurteilten wird untersagt, sich an Orten aufzuhalten, an denen regelmäßig Kinder ohne Aufsicht anzutreffen sind, insbesondere nicht an Spielplätzen, öffentlichen Schwimmbädern, allgemein genutzten Strandbädern oder Badeseen, Schulen, Kindertagesstätten oder vergleichbaren Einrichtungen.
f) Er darf keinen Kontakt zu Personen unter 16 Jahren aufnehmen (ausgenommen sind die behördlich begleiteten Besuche der eigenen Kinder einmal im Monat für zwei Stunden).
g) Der Besitz eines Bildaufzeichnungsgerätes und eines Internetanschlusses wird ihm untersagt.
Gegen den Beschluss hat der Verteidiger am 23. November 2010 Beschwerde eingelegt.
II. Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet. Zwar kann es nach § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung gesetzwidrig sei. Das ist hier indes der Fall.
Von Gesetzwidrigkeit ist auszugehen, wenn die getroffene Anordnung im Gesetz nic...